Die Klavierkonzerte von Camille Saint-Saens scheinen zurzeit in Wiens Konzertsälen sehr beliebt. Nach dem zweiten im Musikverein im vergangenen Oktober stand nun am 17. November 2023 im Konzerthaus dessen Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 F-Dur op. 103 aus 1896 auf dem Programm – im Rahmen eines Gastspiels des Orchestre de Paris unter seinem jungen Chefdirigenten. Hier wie dort bietet sich das gleiche Bild eines technisch ungemein herausfordernden, vom musikalischen Gehalt jedoch nicht wirklich anspruchsvollen Werkes. Der junge französische Pianist Alexandre Kantorow überzeugt mit vollgriffigem wie differenziertem Klavierspiel, zaubert auch die dem Werk eigenen Exotismen – das fünfte Klavierkonzert trägt den Beinamen „Ägyptisches“, in der G-Dur-Passage des zweiten Satzes handelt es sich laut dem Komponisten um ein nubisches Liebeslied – in den Großen Konzerthaussaal. Der 26-jährige, auf dem Sprung zur Weltkarriere stehende Pianist kann sich des Jubels des Publikums, in dem auffällig viele junge Leute sitzen, sicher sein und bedankt sich mit zwei Zugaben: Zunächst mit der Arie der Dalila „Mon coeur s’ouvre á ta voix“ aus Saint-Saens‘ Oper „Samson et Dalila“ in einer Bearbeitung von Nina Simone, danach mit dem Finale aus Strawinskys „Der Feuervogel“ in einer Bearbeitung von Guido Agosti, wo er den Steinway noch einmal publikumswirksam voll aufrauschen lässt und einen Bogen zum Werk, das nach der Pause am Programm steht, spannt. Auch eine der großen Damen der Pianistinnen, Elisabeth Leonskaja, lauschte dem inspirierten Klavierspiel des jungen Franzosen. Zum Auftakt des Konzertes gab es „Shéhérezade. Ouverture de féerie“ aus 1898, ein zwischen den Vorbildern Tschaikowsky und Mussorgsky bzw. Debussy und Satie changierendes Werk des jungen Maurice Ravel, der mit diesem zauberhaften Werk seinen eigenen Weg zu finden scheint. Bereits mit diesem Werk schimmert des Orchesters, das 1967 aus der 1828 gegründeten Societé des concerts du Conservatoire hervorgegangen ist, eigene französische Tradition und Klangfarbe, die an herb frisches, erdig grundiertes, kostbares Parfum erinnert, durch.
Der junge, 1996 in Helsinki geborene finnische Dirigent Klaus Mäkelä stammt aus einer Musikerfamilie und wurde an der Sibelius-Akademie in Helsinki in der Dirigentenschmiede von Jorma Panula ausgebildet. Neben dem Orchestre de Paris leitet er auch das Oslo Philharmonic Orchestra als Chefdirigent, mit dem er im Konzerthaus bereits alle Symphonien von Jean Sibelius höchst überzeugend aufgeführt hat, ab 2027 wird er diese Position beim Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam, einem der renommiertesten Klangkörper überhaupt, bekleiden. Und der junge Mann vermag nach der Pause bei der Wiedergabe des gesamten Balletts in zwei Bildern mit Introduktion – „L’oiseau de feu (Der Feuervogel)“ entstanden 1909/1910 – aus der Feder von Igor Strawinsky vollends zu überzeugen. Bereits mit den ersten Takten baut Mäkelä eine ungeheure Spannung auf und kann diese über das ganze, ohne Baton dirigiertes Werk bis zum hymnisch gesteigerten Finale halten. Strawinskys Meisterwerk breitet sich in seiner ganzen farbigen Plastizität wie Differenziertheit vor den Ohren des Publikums aus, das sich so imaginär den Handlungsablauf gut vorstellen kann; trotzdem schade, dass dem Programmheft der Szenenablauf des Werkes nicht entnehmbar ist, hat diesen doch nicht jede/r im Publikum abrufbereit. Unter Mäkeläs straffer Leitung und tänzerischen Bewegungen gibt das in allen Instrumentengruppen sehr gut aufgestellte Orchester eine eindrucksvolle Visitenkarte seiner Klangtradition, wo die fein abschattierten Holzbläser, das mächtig runde Blech und die samtig schimmernden Celli besonders hervorstechen.
Bedauerlicherweise lassen sich die Gäste aus Paris am späteren Abend zu keiner Zugabe mehr hinreißen. Auf Klaus Mäkelä darf man sich aber bereits heute freuen, wenn er im Juni 2024 mit seinem Osloer Orchester und Werken von Brahms, Sibelius und Zemlinsky ins Konzerthaus zurückkehrt.