Bruckners VII. Symphonie forsch und zwingend – Markus Poschner mit dem ORF RSO Wien

RSO Wien Markus Poschner Bruckner 7
Markus Poschner © Volker Weihbold

Die Musikwelt feiert 2024 den 200. Geburtstag von Anton Bruckner und haben aus diesem Anlass das ORF Radiosymphonieorchester Wien und das Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner Aufführung und Einspielung sämtlicher Symphonien dieses genuinen österreichischen Symphonikers in allen vorhandenen Fassungen programmiert.

Im zweiten Konzert in seinem Zyklus im Wiener Konzerthaus hat das ORF Radiosymphonieorchester Wien unter der Leitung von Markus Poschner am 08. Dezember 2023 nun die Symphonie Nr. 7, E-Dur, WAB 107, entstanden 1881 bis 1883, uraufgeführt am 30. Dezember 1884 in Leipzig vom Gewandhausorchester unter Arthur Nikisch, gewidmet König Ludwig II. von Bayern, als Hauptwerk des Abends auf den Notenpulten.

Das Besondere der Interpretation Poschners liegt in einem im Grunde neuen, radikalen Ansatz. Langsame, erhabene Weihe erklingt bei Poschner in keinem Moment seiner Gangart – forsch, ungemein zügig, schroff, zerklüftet, analytisch geschärft kommt sein Bruckner daher und das Orchester greift diese Vorgaben ungemein engagiert wie spielfreudig bei seiner Umsetzung des großartigen Werkes auf. Der Dirigent legt die Symphonie dabei in einer neuen, noch nicht gehörten Art frei und bringt so die Musik gleichsam zum Singen wie zum Tanzen. Viele Überraschungen sind bei diesem stark musikantisch ausgerichteten Aufspüren des (ober)österreichischen Klangdialektes zu entdecken, die bisher einfach unbemerkt geblieben sind.

In ungefähr 60 kurzweiligen Minuten entfaltet das Werk dennoch seine wirkungsvolle, zwingende Größe. Hatten im ersten Satz kleine Koordinationsprobleme das Orchesterspiel noch ein wenig beeinträchtigt, findet die Formation bereits im zweiten Satz, dem groß angelegten Adagio, dessen feierlicher Abgesang in den Nibelungentuben im Eindruck des Todes des von Bruckner vergötterten Richard Wagner entstanden ist, zu edlem, warmem, homogenem Klang, vor allem die auffällig schön timbrierten Celli. Das Scherzo huscht nahezu vorbei, mit eigenwillig Ritardando – Elementen im Trio, ebenso das Finale. Die Coda jeweils im ersten und vierten Satz nimmt Poschner so rasch, dass das Crescendo seiner machtvoll überwältigenden Wirkung fast ein wenig beraubt wird.

Bei dieser Gangart steht das martialisch Zwingende von Bruckners Musik Gangart absolut im Vordergrund. Unverständlich nur, warum der Dirigent nicht die Orchesteraufstellung mit den zweiten hinter den ersten Geigen und den Celli hinter den Bratschen wählt, sondern die Celli hinter den ersten Geigen und die Bratschen hinter den zweiten Geigen platziert, können doch so unmittelbar vor der Coda des ersten Satzes Celli und Bratschen auch mit äußerster Anstrengung dem Hauptthema nicht die erforderliche Geltung gegen das mit ekstatischer Intensität gesteigerte Tremolo der ersten und zweiten Geigen verschaffen.

Im ersten Teil des Konzertes gab es noch eine Uraufführung – das 2023 entstandene, ungefähr 25minütige „Accordeon Concerto“ in zwei Sätzen der 1993 geborenen, aus Amsterdam stammenden jungen Komponistin Mathilde Wantenaar. Eklektisch, bezaubernd und lyrisch wird ihre Musik beschrieben, das für das Ohr nicht unangenehme Werk ist von Jazz, Tango und Volksmusik beeinflusst, hin und wieder vermeint man auch ein Chanson von Jacques Brel zu hören, mitunter klingt die Komposition auch trostlos und, im Gegensatz dazu, im Orchester perkussiv. Der Solist am Akkordeon, Vincent van Amsterdam, bedankt sich beim Publikum, passend am Marienfeiertag, noch mit einer Version für Akkordeon der Kantate BWV 61 „Nun komm der Heiden Heiland“ von Johann Sebastian Bach.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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