Im sechsten Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker in der laufenden Saison kommt es im Großen Saal des Wiener Musikvereins zu einem Gipfeltreffen zweier die klassische Musik in den letzten Jahrzehnten prägenden Giganten, wenn sich die argentinische Pianistin Martha Argerich und der indische, in Wien ausgebildete Dirigent Zubin Mehta die Ehre geben.
Eröffnet wird die Matinee am 17. März 2024 mit dem Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur von Maurice Ravel, einem Werk, das von baskischen, spanischen und jazzigen Elementen geprägt ist, impressionistische Zirkusmusik mit Jazzsouvenirs verbindet und das die Ausnahmepianistin Argerich während ihrer langen Karriere gerne und oft gespielt hat. Und das Klavierspiel von „Martita“, 1941 in Buenos Aires geboren, ist immer noch funkelnd, rauschhaft sinnlich, poetisch wie temperamentvoll, mit rasant gespielten Läufen wie gleißenden Trillerketten, sehr zur Freude des Publikums. Abgesehen von den virtuosen Läufen und Glissandi gerät der nur vom Klavier vorgetragene Beginn des zweiten Satzes, inspiriert vom Larghetto aus Mozarts Klarinettenquintett A-Dur KV 581, den Martha Argerich traumverloren fließend zu interpretieren weiß, zum Höhepunkt. Als Zugabe gibt es zunächst noch einmal den dritten Satz von Ravels Klavierkonzert, bevor Martha Argerich Orchester wie Publikum mit einer hingebungsvoll musizierten Gavotte aus der Englischen Suite Nr. 3 g-moll BWV 808 von Johann Sebastian Bach nahezu verzaubert.
Und einfach perfekt aufgestellt in allen Instrumentengruppen präsentiert sich Wiens Meisterorchester nach der Pause bei einer ungemein kompakten, in sich geschlossenen, höchst überzeugenden Wiedergabe der Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 des Jahresregenten Anton Bruckner. Zubin Mehta, 1936 in Bombay geboren, dem Orchester seit 1961 als Dirigent verbunden, lässt die Erfahrung seines ganzen langen Dirigentenlebens in die Interpretation dieses einen der Gipfelpunkte der Symphonik darstellenden Werkes einfließen, wenn er ruhig, mit größtmöglicher Übersicht und höchster dirigentischer Souveränität das Stück ohne Partitur gestaltet. Zeit nimmt er sich, viel Zeit, die gigantisch aufgebauten Spannungsbögen sind zwar zum Zerbersten gespannt, reißen über die ganze viersätzige Architektur jedoch nicht ab und werden, imposant beeindruckend, bis zum Schluss gehalten. Diese Interpretation ist einem echten „Bruckner-Hochamt“ vergleichbar, diese Kunst ist nur wenigen Dirigenten gelungen. Im zweiten Satz entfaltet sich an diesem Vormittag nahezu mystische Spiritualität: Zubin Mehta, immer einer der ausgewiesenen Dirigentenvirtuosen, gewiss in jungen Jahren auch dem Stardirigenten-Jetset verhaftet, ist im Alter zu einem echten, tiefschürfenden Interpreten allererster Güte gereift. Man könnte aus dieser herrlichen Aufführung von Bruckners VII. Symphonie viele Details herausgreifen, vielleicht die wunderbar kontemplative, spannungserfüllte Ruhe der vollendet rund geblasenen Wagner-Tuben zu Beginn des zweiten Satzes und in dessen Abgesang. Zum Höhepunkt gerät aus meiner Sicht aber die Coda des ersten Satzes, die Mehta sehr breit und ruhig nimmt, sodass das machtvolle Crescendo einfach überwältigend daherkommt, wobei das langsame Tempo die Wirkung dieser genialen Musik noch erhöht. Dasselbe Bild dann im Finale, wo Mehta in der Coda noch unglaubliche Kraftreserven freisetzen und so das Orchester zu einer ähnlich gewaltigen Steigerung mobilisieren kann.
Stehende Ovationen für die Wiener Philharmoniker und Zubin Mehta nach einem einfach erfüllten Abonnementkonzert.