Giuseppe Verdis ergreifende „Messa da requiem“ zu Ehren des 1873 verstorbenen Alessandro Manzonis ist laut Joachim Reiber im Wesentlichen eines der stärksten und tiefsten Werke der Suche nach den letzten Dingen: Ausdruck des freien Menschen, der angesichts des Todes den letzten Akt der Befreiung sucht. Todesangst, Sterbensangst und Hoffnung zugleich offenbaren sich bei Verdi im abschließenden „Libera me“, dem Teil, den Verdi bereits anlässlich des Todes Gioacchino Rossinis 1868 komponierte. Im traditionellen Chorkonzert der Osterfestspiele Salzburg, die heuer unter dem Motto „Vor mir der Süden …“ stehen und weitgehend von der Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter ihrem scheidenden Chef Sir Antonio Pappano musikalisch gestaltet werden, steht dieses großartige Werk des Freigeistes Giuseppe Verdi nun zweimal am Programm – am 25. sowie am 29. März 2024, wobei die beteiligten KünstlerInnen, die Osterfestspiele sowie die Familie Karajan den zweiten Termin am Karfreitag dem Andenken an den kürzlich verstorbenen Dirigenten Seiji Ozawa widmen.
In der Aufführung am 25. März 2024 gelingt denn auch eine ungemein stimmige Wiedergabe dieser Totenmesse, die immer wieder als verkappte Oper missverstanden wird, wohl ob ihrer immensen stimmlichen Anforderungen an die vier Gesangssolisten. Sir Antonio Pappano führt die InterpretInnen souverän, flüssig, spannungsgeladen durch das immens reiche, tiefschürfende Werk und bündelt die Massen, nach kleinen Unsicherheiten des Chores noch zu Beginn, gekonnt zu einer kompakten Einheit. Das Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia zeichnet sich durch einen besonders kräftigen Bläser- wie feinen Holzbläserklang aus, das betont harte Dröhnen der großen Trommel im „Dies irae“ öffnet nahezu den Höllenschlund. Der Coro dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia, einstudiert von Andrea Secchi, wird ergänzt vom Bachchor Salzburg, einstudiert von Michael Schneider, artikuliert bisweilen großartig, an der Homogenität sollte bis zur Aufführung am Karfreitag noch etwas gefeilt werden. Was das Solistenquartett betrifft, ragt der ebenmäßig geführte, ungemein gesangvoll agierende, profunde Bass von Michele Pertusi heraus. Der Tenor Luciano Ganci, eingesprungen für den ursprünglich vorgesehenen Jonas Kaufmann, klingt solide, ihm gelingt ein schön auf dem Atem gesungenes, schwebendes „Ingemisco“. Unter den Erwartungen bleibt leider die Mezzosopranistin Judit Kutasi. Für die ursprünglich angekündigte Sonya Yoncheva aufgeboten wird die junge Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha, die, nervositätsbedingt ob der großen Aufgabe, etwas mit der Höhensicherheit kämpft. Dennoch erzielt Pappano mit der jungen Sängerin im Schlussabschnitt eine beklemmende, bewegende Wirkung. Nach einer kurzen Pause der Stille spendet das Publikum lautstarken Beifall.
Im Anschluss an das Konzert wird Masabane Cecilia Rangwanasha gemeinsam mit Lise Davidsen und Eve-Maude Hubeaux nach einer kurzen Laudatio von Intendant Nikolaus Bachler der von der Familie Karajan für junge, aufstrebende Sänger gestiftete Herbert-von Karajan-Preis verliehen.