Seit dem Wirken von Mariss Jansons ist Oslo Philharmonic als eines der erfolgreichsten internationalen Orchester etabliert, woran sich auch unter seinem derzeitigen Chefdirigenten, dem mittlerweile 28jährigen Finnen Klaus Mäkelä nichts geändert hat. Der unter anderen in der Sibelius-Akademie in Helsinki beim großen Dirigentenlehrer Jorma Panula ausgebildete Dirigent ist auch noch künstlerischer Leiter des Orchestre de Paris. Diese beiden Positionen wird er demnächst zugunsten zweier Chefdirigentenpositionen – beim Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam sowie beim Chicago Symphony Orchestra – aufgeben. Nach einer vom Publikum gefeierten Residenz mit allen Symphonien von Jean Sibelius kehrt Mäkelä mit den Osloern nun am 6. und 7. Juni 2024 für zwei Konzerte ins Wiener Konzerthaus zurück, wo er in völlig unterschiedlichen Programmen wieder sein bereits in jungen Jahren enormes Können unter Beweis stellt.
Bereits im ersten der beiden Konzerte etabliert sich der junge Maestro als Vollblutmusiker durch und durch, übernimmt er, als ausgebildeter Cellist, doch auch den Cellopart im 1887 uraufgeführten Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-moll op. 102 von Johannes Brahms, wo er nicht nur seinen Solopart mit Bravour meistert, sondern auch das Orchester vom Cello aus durch das leider nicht oft gegebene Werk führt. Im Violinpart aufhorchen lässt der junge, 2001 in Stockholm geborene Daniel Lozakovich mit gefühlvoll feinem wie satt vollem Geigenton seiner Stradivari. Nach der Pause erklingt dann Brahms‘ 1876 uraufgeführte Symphonie Nr. 1 c-moll op. 68, wo der Dirigent ein enormes Gespür für die Proportionen dieses Meisterwerkes entwickelt, indem er im ersten Satz die Exposition wiederholen lässt, sodass die Spieldauer des ersten wie des vierten Satzes annähernd gleich gerät. Dass dem Finalsatz ebenso mit mehr Schwung und Drive beizukommen ist und dessen Tempo nicht erst in der Coda extrem angezogen werden sollte, wird in der Entwicklung dieses Ausnahmemusikers, der Mäkelä bereits in jungen Jahren zu sein scheint, gewiss noch Platz greifen.
Eine ganz spezielle Programmdramaturgie zeichnet das zweite Konzert am darauffolgenden Tag aus, wo sich ein Elfenkönig, ein Waldgott und eine kleine Meerjungfrau in Tongemälden von drei verschiedenen Komponisten treffen. Den Beginn macht hier die Ouvertüre zu „Oberon“ J 306, uraufgeführt 1826, von Carl Maria von Weber, die aufgrund ihrer kunstvollen Struktur bereits den Charakter einer Tondichtung besitzt. Mäkelä trifft mit dem auch an diesem Abend sehr gut aufgestellten Orchester, das über eine auffällig samtene Cellogruppe verfügt, den fein geschmeidigen Ton des Werkes punktgenau. Naturgemäß ganz in seinem Element befindet sich der junge Mann mit seiner Formation, der es sichtbar große Freude bereitet, unter diesem Feuerkopf, dessen Dirigieren von überschäumender Musizierlust geprägt zu sein scheint, zu spielen, dann bei „Tapiola“, einer Tondichtung für großes Orchester op. 112, dem letzten vollendetem, großen Werk von Jean Sibelius, uraufgeführt 1926. Die endlosen finnischen Wälder, darin der Waldgott Tapio, wird als Hymnus an die Natur mit dunklen, großartigen Orchesterfarben wie herrlichen Klangfarben, die Mäkelä seiner Formation entlockt, beschrieben. Nach der Pause und zum Schluss des zweitägigen Gastspiels dann noch „Die Seejungfrau“, eine symphonische Dichtung von Alexander Zemlinsky, uraufgeführt 1905, nach dem Kunstmärchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen. Das Werk hat der Komponist selbst nur als Durchgangsstadium begriffen und, obwohl mit glühenden Orchesterfarben ausgestattet und zweifellos mit Schönheiten gesegnet, verfügt es nicht über den Gehalt der beiden anderen Werke des Abends. Zartes wie rauschhaft gesteigertes, exzellentes Orchesterspiel zeichnet aber auch diese Wiedergabe zur Freude des Auditoriums aus. Zum Leidwesen des Publikums lassen sich Mäkelä und die Gäste aus Oslo dieses Mal im Konzerthaus an beiden Abenden zu keiner Zugabe hinreißen.