Madrigale von Claudio Monteverdi szenisch – COMBATTIMENTI in der Kammeroper

Starker Applaus für COMBATTIMENTI in der Kammeroper - Auf der Bühne Luciana Mancini, Ferran Albrich, Johanna Rosa Falkinger, David Bergmüller, Ilya Dovnar, Ambra Biaggi, Lazar Parezanin © Thomas Rauchenwald

Wer derzeit Musiktheater im Theater an der Wien erleben möchte, muss sich mit der Kammeroper am Fleischmarkt als zweite Spielstätte begnügen, weil wegen Verzögerungen beim Umbau im Haupthaus an der Linken Wienzeile die beiden ersten geplanten, szenischen Neuproduktionen – Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“ und Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ – in jeweils nur einer konzertanten Aufführung gegeben werden können und Oper szenisch im Haupthaus erst im kommenden Jahr zu erleben sein wird.

Zu Beginn der aktuellen Spielzeit haben der österreichische Lautenist David Bergmüller – der Musiker leitet auch das Ensemble Proxima D von der Laute aus – und der Regisseur Oliver Fredj „Combattimenti“ kreiert, wobei es sich um ein innovatives Musiktheaterprojekt, das auf Madrigalen von Claudio Monteverdi basiert, handelt. Kernstück des Abends bildet das 1624 uraufgeführte Il combattimento di Tancredi e Clorinda (Text aus La Gerusalemme liberata von Torquato Tasso), der dramatische Höhepunkt des achten Madrigalbuches Monteverdis, der von Krieg und Liebe handelnden Madrigali guerrieri ed amorosi. Um den Abend auf neunzig Minuten auszudehnen, wird das zwanzigminütige Werk um andere Werke aus Monteverdis Feder ergänzt und kommen auch das Lamento d’Arianna (sowohl aus der Oper L’Arianna als auch in der Version aus dem sechsten Madrigalbuch), das Lamento della Ninfa, Altri canti d’Amor, ebenfalls aus dem achten Madrigalbuch und das Dixit Dominus aus Selva morale e spirituali zur Aufführung. Bühnenbild und Video stammen von Thomas Boudewijn, die geschmackvollen Kostüme von Petra Reinhardt, Franz Tscheck steuert eine stimmig plastische Lichtregie bei. Ausgangspunkt dieser gewiss ambitionierten Produktion, bei der es während der Vorstellung zu Schusseffekten kommt, auch Stroboskopeffekte werden eingesetzt, ist der Ansatz, ein neues Licht auf die Kriege in der aktuellen Gegenwart zu werfen, weshalb am Ende – allzu platt und plakativ, deshalb entbehrlich – eine Nachrichtensprecherin über das Geschehen im Nahen Osten und in der Ukraine berichtet. Das Geschehen – der Kampf zwischen dem Kreuzritter Tancred und der Muslimin Clorinda, synonym für die ewigen Gegensätze zwischen Okzident und Orient – sowie das ganze Drumherum, ist nahezu spartanisch bebildert, einer konzertanten Aufführung in Kostümen vergleichbar, entbehrt aber nicht einer gewissen Wirkung. Die von Monteverdi vertonten Konflikte zwischen Liebe und Hass, Krieg und Frieden, Mann und Frau sind zeitlos aktuell – diesen Aspekt setzt die betont einfache Regiearbeit zweifellos ambitioniert um.

Hauptverdienst der Verantwortlichen im Theater an der Wien mit dieser ungewöhnlichen Produktion ist jedoch der Umstand, Monteverdis Musik auf die Bühne gebracht zu haben – vor allem im Hinblick auf dessen concitato-Stil, womit er Gewalt, Kampf, Wut und Zorn in Musik ausdrücken kann und damit bereits vor 400 (!) Jahren einen ungemein expressiven Weg eingeschlagen hat, der zum Musikdrama Richard Wagners, zur Programmmusik und zur Musik des 20. Jahrhunderts führen wird. Was die jungen SängerInnen betrifft, ist auch in der Reprise am 8. Oktober 2024 besonders die eindringliche, zu Herzen gehende Gestaltung der Leiden und Klagen Ariadnes durch die Mezzosopranistin Luciana Mancini hervorzuheben, alle anderen lassen soliden, ausbaufähigen Gesang vernehmen: die Sopranistinnen Johanna Rosa Falkinger und Ambra Biaggi, Tenor Ilya Dovnar, Bariton Ferran Albrich und Bass Lazar Parezanin. Das aus acht MusikerInnen bestehende Ensemble unter der Leitung von David Bergmüller erzeugt einmalige Klangbilder, die, weil elektronisch unterstützt, der eigenen, atmosphärischen Musik Monteverdis mit ihren Zukunftsvisionen voll gerecht werden. Am Schluss gibt’s viel Beifall für alle Beteiligten.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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