„Episoden aus dem Leben eines Künstlers“ – Alain Altinoglu mit Berlioz im philharmonischen Abonnement

Alain Altinoglu © Marco Borggreve

Alain Altinoglu, Directeur Musical des Thèatre Royal de la Monnaie in Brüssel und Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt, der auch am Conservatoire National Supèrieur de Musique de Paris die Studierenden der Dirigierklasse unterrichtet, war in der Direktion von Dominique Meyer oft Gast am Pult der Wiener Staatsoper. Umso größer ist nun die Freude, dass dieser hochkarätige Musiker nun eingeladen wurde, das dritte Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker in der laufenden Saison am 24. November 2024 zu dirigieren.

Das Hauptwerk im zweiten Teil dieser philharmonischen Matinee ist Programmmusik in Reinkultur und Vollendung zugleich – Hector Berlioz‘ „Symphonie fantastique. Episode de la vie d’un artiste“, op. 14, ein kühnes, bahnbrechendes Werk, ohne das spätere Großsymphoniker wie Franz Liszt, Gustav Mahler oder Richard Strauss undenkbar gewesen wären. Berlioz‘ Selbstbekenntnis in Tönen strömt unter der höchst kundigen, heftig passionierten Leitung von Altinoglu buchstäblich berauschend in den Großen Musikvereinssaal. Die Wiener Philharmoniker, wieder zurück von ihrer großen Asien-Tournee, sind in allen Instrumentengruppen einfach formidabel disponiert, einen zusätzlich besonderen Eindruck hinterlassen die in diesem Werk speziell geforderten, mit betörenden Klangfarben aufwartenden Holzbläser. Es dominiert eine nahezu perfekte Orchesterkultur, Altinoglu stachelt die Formation mit kleiner, dennoch höchst präziser Zeichengebung zu luzidem, fein geschmeidigem, elegantem wie stark akzentuiertem Orchesterspiel an. Gehalt und Idiom des großartigen Werkes trifft er mit seiner ständig stürmisch vorwärtsdrängenden Interpretation genau – seien es die melancholischen Träumereien wie leidenschaftlichen Schmerzen eines eifersüchtig Liebenden des ersten, das harfenumrauschte Ballfest des zweiten, die pastoral ruhige Stimmung des dritten, die stark herausgemeißelte, feierliche Düsternis des vierten und die schon nahezu mitreißende orgiastische Klangwelt des fünften Satzes. Nach diesem wild grotesken Hexentanz einer Walpurgisnacht brandet unmittelbar lautstarker Publikumsjubel auf.

Vor der Pause, im ersten Teil, gab’s eine Ur- sowie Erstaufführung im philharmonischen Abonnement. Die Uraufführung galt „April. Ballade für großes Orchester“, op. 39, ein an Musik von John Williams und Leonard Bernstein gemahnendes, in der Behandlung der groß besetzten Pauken an Leos Janàcek erinnerndes Werk des 2023 verstorbenen, ehemaligen Paukers und Schlagwerkers der Wiener Philharmoniker, Bruno Hartl, der zu dieser Komposition unter anderen von Rainer Maria Rilkes Gedicht „Aus einem April“ angeregt wurde. Als Erstaufführung im philharmonischen Abonnement erklang das Konzert für Fagott, Streicher, Harfe und Klavier von Andrè Jolivet, wo Sophie Dervaux, Solo-Fagottistin des Orchesters seit 2018, mit überragender Technik und subtiler Musikalität beeindruckte.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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