CHOWANSCHTSCHINA von Modest Mussorgski erstmals bei den Osterfestspielen Salzburg

Bevor 2026 die Berliner Philharmoniker unter ihrem Chef Kirill Petrenko an die Salzach zurückkehren, setzt Intendant Nikolaus Bachler bei den Osterfestspielen Salzburg 2025 auf Modest Mussorgskis Volksdrama CHOWANSCHTSCHINA unter Esa-Pekka Salonen, inszeniert von Simon McBurney

Das Werk ist noch nie in Salzburg gespielt worden.“, erklärt Nikolaus Bachler, als Intendant der Osterfestspiele Salzburg mittlerweile bis 2030 verlängert, einen Grund für seine Werkwahl, steht doch im Mittelpunkt der Salzburger Osterfestspiele 2025, die unter dem Motto „Wunden und Wunder“ stehen, ein selten aufgeführtes Stück Musiktheater – Modest Mussorgskis unvollendetes, jedoch faszinierendes, monumentales Volksdrama CHOWANSCHTSCHINA. Der Komponist begann das Projekt 1872, als er noch an seiner Oper BORIS GODUNOW arbeitete, und führte eine fast zwanghafte Recherche in einem dunklen Teil der russischen Geschichte durch, den Strelitzenaufstand im 17. Jahrhundert, wobei die Ereignisse voller Verschwörungen, Macht- und Klassenkämpfen und rücksichtsloser Gewalt beinahe schockierend Vorgängen im heutigen Russland ähneln.

Aufgeführt wird das Monumentalwerk in einer noch nie dagewesenen Version: Die mit Spannung erwartete Neuinszenierung stammt vom britischen Theaterregisseur und Schauspieler Simon McBurney, der selten Ausflüge in die Oper macht. Die Fassung der Osterfestspiele dieses „Märchens aus unserer Zeit“ verwendet, wie heute üblich, die herbe Orchestrierung von Dmitri Schostakowitsch, die sich am dunklen, schroffen Klang von Mussorgskis BORIS GODUNOW orientiert und das Finale von Igor Strawinski – ergänzt jedoch durch eine Brücke zwischen diesen beiden Teilen von Gerard McBurney, Simon McBurneys Bruder und langjährigem künstlerischen Partner, einem Russland-Spezialisten und Komponisten. Der renommierte finnische Klangkünstler Tuomas Norvio wird dazu eine elektronische Klangwelt schaffen, um die Fragmente miteinander zu verweben. Christina Cunningham wird die Kostüme kreieren, Tom Visser für das Licht sorgen. Rebecca Ringst wird die Bühne gestalten, was insofern bemerkenswert ist, als dass sie Ende März in Genf das Bühnenbild für eine Neuproduktion derselben Oper entworfen hat.

Den Regisseur fasziniert an diesem Werk dessen fragmentarische und unvollständige Natur – insbesondere des Schlusses: „Mussorgski starb unter sehr schwierigen Umständen: Er war Alkoholiker und konnte die Oper nicht fertigstellen. Beide Künstler, die nach seinem Tod an der Oper gearbeitet haben, Strawinski und Schostakowitsch, fügten dem Stück ihre Vision und ihren Willen bei. Es gibt jedoch Notizen und Skizzen von Mussorgski, die darauf hindeuten, dass er in eine andere Richtung gehen wollte. Für uns geht es also nicht nur darum, diese außergewöhnliche Oper in ihrer Gesamtheit zu präsentieren, sondern auch darum, auf das einzugehen, wonach Mussorgski offenbar gesucht hat. ….. Ich habe gesehen, dass diese Fragmentierung der überlieferten Musik es uns ermöglicht, ein faszinierendes Erlebnis zu modulieren, von Schostakowitschs wunderbarer Version über eine Art Ödland, in dem wir nur Mussorgskis fragmentarische Skizzen zur Verfügung haben, bis hin zur wunderschönen Erlösung durch Strawinskis Schluss. Wir wollten sicherstellen, dass das Publikum jede Note von Mussorgski hört.“

Mit dieser neuen, eigenen Fassung versuchen die Osterfestspiele also, eine vervollständigte Version des fragmentarischen Schlusses zu präsentieren – mit dem Ziel, so nah wie möglich an Mussorgskis überlieferter Manuskriptskizze zu bleiben, bevor sie in Strawinskis Schluss aus dem frühen 20. Jahrhundert überleitet.

Esa-Pekka Salonen wird am Pult des Radio Symphony Orchestra Helsinki stehen. Der Dirigent sagt über dieses außergewöhnliche Werk:CHOWANSCHTSCHINA ist insofern eine einzigartige Oper, als sie mit nur wenigen Änderungen der Namen und Details eine Geschichte aus unserer Zeit sein könnte. Die Putschpläne einer Privatarmee implodieren und lösen sich in Rauch auf. Es wird versucht, die Religion zu instrumentalisieren, um politische Bestrebungen zu fördern. Die Menschen wissen nicht, wem sie glauben sollen, und misstrauen schließlich so gut wie jedem. Den Rebellen drohen harte Strafen, aber plötzlich werden alle ohne Erklärung begnadigt. Kommt Ihnen das bekannt vor?

In den Hauptrollen zu erleben sind Vitalij Kowaljow (Fürst Iwan Chowanskij), Thomas Atkins (Fürst Andrej Chowanskij), Matthew White (Fürst Wassilij Golizyn), Daniel Okulitch (Schaklowityi), Ain Anger (Dosifej) und Nadezhda Karyazina (Marfa).

Mussorgskis gewaltiges, rohes Historiendrama – CHOWANSCHTSCHINA lässt sich mit CHOWANSKI-SCHWEINEREI übersetzen – stellt an Szene und Musik enorme Herausforderungen. Zunächst ist in diesem „musikalischen Volksdrama“, wie der Komponist sein Werk bezeichnete, der eigentliche Handlungsträger das russische Volk, die handelnden Figuren sind bedeutend als Vertreter bestimmter Volksgruppen, weniger als selbständig handelnde Charaktere. Zudem folgt die beinahe archaische Musik dem Duktus der russischen Folklore und soll der Vortrag im Einklang mit Rhythmus und Tonfall der russischen Sprache stehen.

Mussorgskis hinterlassener Torso und die verschiedenen Bearbeitungen und Ausgaben von CHOWANSCHTSCHINA haben immer wieder zu vielfältigen Diskussionen geführt und macht gerade ihre Doppeldeutigkeit CHOWANSCHTSCHINA zu einer Oper großer zeitgemäßer Relevanz wie frappierender Aktualität. Die Premiere dieser höchst interessanten Musiktheaterproduktion der Osterfestspiele Salzburg als Koproduktion mit der Metropolitan Opera New York findet am Samstag, den 12. April 2025 im Großen Festspielhaus statt, eine weitere Aufführung ist dann noch am Ostermontag, den 21. April 2025 zu erleben.

Ist die Musik, laut Nikolaus Bachler, „Wunde, Wunder und Erlösung“, was die Osterfestspiele Salzburg 2025 betrifft, soll ab 2026 „ein neues, so glanz- wie gehaltvolles Kapitel“ dieses Festivals, wie Bachler am 2. April 2026 verkündete, aufgeschlagen werden. Die Berliner Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Kirill Petrenko, der seine Laufbahn in der Oper begonnen hat, kehren zurück an die Salzach! Eine neue Produktion von DER RING DES NIBELUNGEN von Richard Wagner steht dann am Programm, Petrenko wird die gewaltige Tetralogie gemeinsam mit dem nicht unumstrittenen russischen Film-, Theater- und Opernregisseur Kirill Serebrennikov erarbeiten: 2026 gibt es „Das Rheingold“, 2027 „Die Walküre“, 2029 „Siegfried“ und 2030 „Götterdämmerung, unterbrochen wird das herausfordernde Mammutprojekt 2028 mit „Moses und Aaron“ von Arnold Schönberg. Es wird also nicht nur, sondern bleibt auch weiterhin höchst spannend zu Ostern in Salzburg.

Themenschwerpunkte
Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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