Furrer 70 Medienbox

Zum 70. Geburtstag von Beat Furrer am 6. Dezember 2024 ist eine repäsentative Medienbox erschienen © Manu Theobald

Der österreichische Komponist und Dirigent Beat Furrer ist am 6. Dezember 2024 in Schaffhausen in der Schweiz geboren. 1975 übersiedelte er nach Wien, wo er Komposition bei Roman Haubenstock-Ramati und Dirigieren bei Otmar Suitner studierte. 1985 gründete er gemeinsam mit Viktor Liberda das Klangforum Wien, war dessen künstlerischer Leiter bis 1992 und ist dem Ensemble immer noch als Gastdirigent verbunden. Furrer ist seit 2005 Mitglied der Berliner Akademie der Künste und Träger zahlreicher Auszeichnungen, so erhielt er beispielsweise den Großen Österreichischen Staatspreis für Musik, den Ernst von Siemens Musikpreis, das Ehrenzeichen des Landes Steiermark für Wissenschaft, Forschung und Kunst und das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Graz.

Anlässlich seines 70. Geburtstages hat er nun achtzehn Schlüsselwerke ausgewählt, mit dem Klangforum Wien maßstabsetzende Neuaufnahmen erarbeitet und selbst dirigiert. Das Ensemble gestaltet damit ein Vermächtnis zu Lebzeiten, ermöglicht doch die exklusive, im November 2024 veröffentlichte Medienbox mit sechs CDs, drei Filmen und zwei Büchern einen einzigartigen Zugang zum Werk des zeitgenössischen Komponisten.

Die drei Filme erschaffen Einblicke in Beat Furrers Quellen der Inspiration und seine schöpferische Lebenswelt. Ein „Bücherbuch“ lädt in Beat Furrers persönliche Welt der Bücher ein und tauchen in einem „Musikbuch“ neue Essays und einführende Texte tief in die Klanglandschaft der ausgewählten Kompositionen ein.

Auf den CDs finden sich über sechs Stunden mit Musik des Furrer’schen Klanguniversums, die zeitlose Maßstäbe seiner Lesart der eigenen Werke darstellen. Enthalten sind folgende Werke:

Nuun (1995), Konzert für Violine und Orchester (2020), Klarinettenkonzert (2019), Konzert für Klavier und Ensemble (2008), spur (1998), Retour an Dich (1986), apoklisis (2004), cold and calm and moving (1992), in mia vita da vuolp (2019), La bianca notte (2013), invocation VI (2003), Spazio immergente III (2019), Xenos III (2010/2013), linea dell’orizzonte (2012), intorno al bianco (2016), Gaspra (1988), à un moment de terre perdue (1990), Begehren (2001/2003).

Auf alle Werke einzugehen, würde den Rahmen dieses Blogs sprengen. Hochinteressant Apoklisis, wo sich die Klänge von zwei Bassklarinetten einerseits ineinander verschlingen, sich andererseits voneinander wegbewegen, und Nuun mit seiner nervösen Motorik, oder das einen Raum zwischen Stimme und Sprache suchende Xenos III, auch das während der Pandemie entstandene Konzert für Violine und Orchester, das gekennzeichnet ist von Fragilität wie gleichsam Intensität, wo dazwischen Stille herrscht.

Den stärksten Eindruck der CDs hinterlässt die Einspielung von Begehren – aufgenommen mit dem Klangforum Wien und dem von Cordula Bürgi einstudierten und geleiteten Chor Cantando Admont, Sarah Aristidou (Sopran) und Christoph Brunner (Sprecher). Begehren stellt ein Musiktheater in zehn Szenen, nach Texten von Ovid, Vergil, Hermann Broch, Cesare Pavese und Günter Eich, mit dem Libretto vom Komponisten, unter der Mitarbeit von Christine Huber und Wolfgang Hofer dar. Bei diesem Werk sind vor allem Klänge zu vernehmen, die gleichsam aus dem Schatten treten. Auch das erste Wort in diesem Werk lautet „Schatten“. Diese Schatten stehen auch für die gescheiterte Kommunikation zwischen den beiden Protagonisten, in diesen Schatten liegen auch die Gründe für das Scheitern ihrer Beziehung im Verborgenen. Dieses Beziehungsdrama, eine Neudeutung des Mythos von Orpheus und Eurydike als eine Tragödie des Sehens, ist eines der eindringlichsten Musiktheaterwerke Furrers. Obsessionen, zu Klang geworden, Begehren ohne Hoffnung sowie Unerreichbarkeit und Einsamkeit, kreisend um Erinnern und Suchen von „Sie“ und „Er“ werden von einer Sopranistin und einem Sprecher vorgetragen. Zu den Fragmenten und Atemklängen gesellt sich ein Vokalensemble als weiterer Part. Dieses Werk, kontemplativ wie dramatisch zugleich, mit einer kompakten Aufführungsdauer von ca. 90 Minuten wird in diesem Live-Mitschnitt eindringlich interpretiert, werden doch diese begehrenden Begegnungen wie Erinnerungen an eine gescheiterte Liebe mit ihrem Gesang, Sprechen und individuellem Instrumentalklang beklemmend und höchst spannend umgesetzt.

In dieser Box ist neue – beseelte, gute – Musik in vielschichtiger Art und Weise eingefangen, wodurch ein zeitgenössisches Klanguniversum – die ganze aus Licht, Schatten und Spannungsfeldern bestehende musikalische Welt Furrers – richtig intensiv erlebt werden kann. Das Produkt verfügt auch über eine sehr ansprechende Aufmachung: Die in schlichtem Design gehaltene Box wurde von dem in Wien ansässigen Kollektiv Liza Borovskaya-Brodskaya, Mitzi Gugg und Jakob Mayr gestaltet. LiebhaberInnen zeitgenössischer Musik und MusikliebhaberInnen überhaupt sei die modular aufgebaute Box stark empfohlen.

Themenschwerpunkte
Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

Kommentare

  1. Christiane Neubert

    Vielen Dank, Thomas, für diese für mich vollkommen unbekannte Entdeckung!
    Beat Furrer ist mir natürlich bekanbr, habe mich aber bisher nie mit seinem musikalischen Werk auseinandergesetzt.
    Klingt äußerst spannend ..!

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