Grace Bumbry – Eine Diva ist tot

„Mein Großvater hat für Stimmfarben geschrieben, nicht für Hautfarben.“ – entgegnete Wieland Wagner den Kritikern, als er in seiner Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ 1961 bei den Bayreuther Festspielen die Rolle der Venus mit einer jungen, schönen, schwarzen Frau besetzte. Und als die „schwarze Venus von Bayreuth“ ist sie dann auch in die Annalen der Oper eingegangen, mag diese Bezeichnung heute wohl wenig sog. „political correctness“ besitzen. Mit ihrer perfekt gebildeten, wunderbaren Mezzosopranstimme, brillant, elektrisierend, hat sie in dieser Rolle dort 1961 und 1962 unter Wolfgang Sawallisch Furore gemacht. Operngeschichte geschrieben hat sie auch als ungemein dramatische und stimmsichere Lady in Giuseppe Verdis „Macbeth“ 1964 und 1965 bei den Salzburger Festspielen, wieder unter Sawallisch. 1966 und 1967 war sie dann in Salzburg unter Herbert von Karajan, den sie auch mit ihrem Lamborghini beeindruckte, eine leidenschaftlich erotische „Carmen“ in Georges Bizet’s gleichnamiger Oper. Maßstäbe setzte sie auch als Eboli in „Don Carlo“ sowie als Amneris in „Aida“ von Verdi. Alle genannten Partien sind glücklicherweise auf CD dokumentiert, einer echten Diva entsprechend unter großen Dirigenten, weshalb auch junge Leute, die sie nicht mehr live erleben konnten, zumindest ein akustisches Bild davon bekommen können, was passionierter Operngesang bedeutet.

Geboren in St. Louis, Missouri, USA, kam sie früh mit Musik in Berührung, erhielt mit sieben Jahren Klavier- und mit fünfzehn Jahren Gesangsunterricht, studierte dann an Universitäten in Boston, Evanston und Santa Barbara. 1959 ging sie nach London, um an Lotte Lehmanns Masterclasses teilzunehmen und wurde stimmlich, sprachlich, interpretatorisch und auch, was das Ausdrucksregister betrifft, an das so intime Metier des Liedgesanges herangeführt; dabei wurde auch ihre Diktion perfekt ausgebildet. Ranghohe Auszeichnungen wie den Grammy Award, den Ordre des Arts et des Lettres und den Kennedy-Preis unterstreichen ihre Bedeutung als Künstlerin. Ihre Stimme war voluminös, dunkel timbriert und höhensicher, besonders im Charakter, mit spezifisch dramatischer Spannung, die aus ihrem Sinn für rhythmische Präzision und eloquenter Artikulation entstand. Daneben verfügte sie über eine über den Maßen starke Bühnenpräsenz, der man sich nicht entziehen konnte, was sie zu einer genuinen Sängerinnendarstellerin ersten Ranges machte. Bis ins hohe Lebensalter war sie auch als Gesangslehrerin aktiv, war es ihr doch ein Herzensanliegen, ihr Können, ihr Wissen und ihre Erfahrung an Auszubildende weitergeben zu können.

In den 1970er-Jahren ist sie dann ins Sopranfach gewechselt und hat, wenngleich gewisse Probleme in der Höhe nicht geleugnet werden konnten, doch in vielen Rollen mit einer ihr eigenen stimmlichen wie darstellerischen Präsenz reüssieren können. Ein Karrierehöhepunkt war gewiss die Mitwirkung bei der ersten szenischen Produktion an der neuen Pariser Opera Bastille 1990 als Cassandre in Hector Berlioz‘ „Les Troyens“. 1997 hat sie von der Opernbühne Abschied genommen, um nach einer Laufbahn von mehr als einem halben Jahrhundert für einige spezielle Altersrollen wiederzukehren.

Nach einem schweren Schlaganfall 2022, von dem sie sich leider nicht mehr erholen konnte, ist eine der großen Wegbereiterinnen für schwarze Stimmen im hohen Alter von 86 Jahren am 7.5.2023 in einem Spital in ihrer Wahlheimat Wien gestorben. Grace Bumbry soll in ihrer Geburtsstadt beigesetzt werden.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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