Neuer „Eiserner Vorhang“ in der Wiener Staatsoper

Anselm Kiefer Solaris
Anselm Kiefer, Solaris (für Stanislaw Lem), 2023, Eiserner Vorhang © museum in progress

Nunmehr bereits zum sechsundzwanzigsten Mal wird er verhängt, der von Rudolf Hermann Eisenmenger kreierte „Eiserne Vorhang“ in der Wiener Staatsoper – um ein Zeichen zu setzen, gegen einen im Nationalsozialismus wie im Nachkriegsösterreich erfolgreich Karriere machenden Künstler und der Verdrängung in der österreichischen Politik.

Für die aktuelle Ausgabe vom »Eisernen Vorhang« in der Wiener Staatsoper, der am 8. November 2023 im Haus am Ring präsentiert wurde, wählte die Jury (Daniel Birnbaum, Bice Curiger und Hans-Ulrich Obrist) das Werk »Solaris (für Stanislaw Lem)« des international renommierten Anselm Kiefer aus. Das Großbild – der Künstler ist für ein solches prädestiniert wie kaum ein anderer – ist für das Publikum nun bis Ende Juni 2024 vor und nach den Aufführungen sowie in den Pausen wahrzunehmen.

Kiefers monumentales Gemälde, das auf 176 Quadratmetern Bezug auf Lems gleichnamigen Roman nimmt und den literarisch zumeist höchst bescheidenen Libretti der Opernwelt, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen, eine überwältigende kosmische Geschichte gegenüberstellt, lässt eine Art Skulpturengarten hochschlagen: Sehnsüchte, Träume, Ängste und Hoffnungen, ja selbst geliebte Menschen aus dem Arsenal der Trauer und Erinnerung, nehmen darin Form und Gestalt an. Beim Betrachten kommt einem auch sofort die gewaltige Musik von Richard Wagner in den Sinn …

Parallel zur Enthüllung des neuen „Eisernen“ wurde in Wien im Rahmen der „Viennale“ der Dokumentarfilm »Anselm – Das Rauschen der Zeit« von Wim Wenders präsentiert und widmen die Printmedien »Die Furche« und »Die Presse« in aktuellen Ausgaben ganzseitige Zeitungskunst-Multiples von Anselm Kiefer, die in Bezugnahme auf den »Eisernen Vorhang« des Künstlers mit ihrer Meeresszenerie über eine motivische und formale Nähe zum Werk in der Staatsoper verfügen – „Emanation“ und „Questi scritti, quando verranno bruciati, daranno finalmente un po‘ di luce“.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Künstler selbst: Anselm Kiefer wurde 1945 in Donaueschingen, Deutschland, geboren. 1992 zog er nach Frankreich, wo er zwischen Paris und Barjac bei Avignon lebt und arbeitet. Der Künstler studierte Rechts-, Literatur- und Sprachwissenschaften, bevor er die Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und später in Düsseldorf besuchte, wo er Schüler von Joseph Beuys war. 1980 wurde er für den westdeutschen Pavillon auf der 39. Biennale von Venedig ausgewählt. Seine Werke werden in bedeutenden Einzelausstellungen auf der ganzen Welt gezeigt. In seinen Arbeiten, wo er oft auch unkonventionelle Materialien verwendet, setzt er sich stark mit der Geschichte und mit der  Mythologie Deutschlands nach dem II. Weltkrieg auseinander. Wie sein Lehrer Beuys, seine Landsleute Georg Baselitz und Jörg Immendorff gilt Kiefer als Vertreter des Neoexpressionismus.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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