Zum 100. Geburtstag von Stanislaw Skrowaczewski

Stanislaw Skrowaczewski Deutsche Radio Philharmonie
Stanislaw Skrowaczewski © Michal Gmitruk, Forum

Am 3. Oktober 2023 wäre er hundert Jahre alt geworden – Stanislaw Skrowaczewski, ein stilsicher stets um Werktreue bemühter, polnischer Dirigent ohne jegliche Starallüren, dem eine große Alterskarriere wie Günter Wand oder Herbert Blomstedt beschieden war. Seine große Leidenschaft war – wie auch die der beiden Letztgenannten – vor allem das symphonische Werk von Anton Bruckner. Sie begann, wie jede echte Passion, als Krankheit: Als Sechsjähriger hatte er am offenen Fenster etwas Unglaubliches gehört und geriet außer sich: „Am Abend bekam ich Fieber, ich war in einem Delirium. Mein Vater war Arzt, aber er wusste nicht, was mit mir los war. Später erfuhr ich, dass ich das Adagio aus Bruckners siebter Sinfonie gehört hatte.“, wie er selbst einmal erzählte.

Geboren wurde Skrowaczewski am 3. Oktober 1923 in Lwiw (Lemberg), Ukraine, nach einem langen, erfüllten Musikerleben ist er am 21. Februar 2017 in St. Louis Park, Minnesota, USA, gestorben. In Warschau studierte er Klavier, Violine, Komposition und Dirigieren, trat bereits mit elf Jahren als Pianist auf, stand mit dreizehn erstmals als Dirigent vor einem Orchester und setzte nach dem Krieg seine Studien in Paris bei Nadia Boulanger, Artur Honegger und Paul Kletzki fort.

1946 wurde er Direktor der Philharmonie Breslau, anschließend Chefdirigent der Philharmonischen Orchester in Kattowitz, Krakau und Warschau. Nach dem Gewinn des Internationalen Dirigentenwettbewerbs in Rom 1956 lud ihn George Szell 1958 ein, für einige Wochen das Cleveland Orchestra zu dirigieren, mit dem er auch eine Australientournee unternommen hatte. Es folgten Gastdirigate bei anderen amerikanischen Orchestern wie etwa dem New York Philharmonic, mit dem Philadelphia Orchestra war er auf Südamerikatournee.

1960 wurde Skrowaczewski Chefdirigent des Minneapolis Symphony Orchestra und hatte diese Position neunzehn Jahre lang inne. Von 1984–1991 bekleidete er dieselbe Stellung beim Hallé Orchestra in Manchester. Regelmäßige Einladungen als Gastdirigent führten ihn nach Nord- und Südamerika, Australien, Japan und in zahlreiche Städte Europas. Eine enge, lang andauernde Zusammenarbeit verband ihn zwischen 1963 und 2012 auch mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

1994 wurde Skrowaczewski zum Ersten Gastdirigenten des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken (jetzt: Deutsche Radio Philharmonie) ernannt, mit dem ihn über viele Jahren eine enge Zusammenarbeit im Konzertsaal wie auch im Studio verband. Dieses Orchester ernannte ihn 2015 zu seinem „Ehrendirigenten“.

Skrowaczewski war auch als Komponist tätig. Seine an Szymanowski erinnernde Musik zeigt eine Vorliebe für nächtliche Stimmungen, meidet aber abgrundtiefe Düsternis. Sein Stil ist elegant wie intelligent, die Orchesterbehandlung dezent und virtuos.

Neben hoch gelobten Einspielungen der Symphonien von Beethoven, Brahms und Schumann mit dem RSO Saarbrücken wurde er von der Kritik weltweit für den bei Oehms Classics erschienen Bruckner-Zyklus mit demselben Orchester euphorisch gelobt, dafür erhielt er sogar den „Cannes Classical Award“ 2001 in der Kategorie „Orchestermusik des 18./19. Jahrhunderts“. Bereits zuvor wurde Skrowaczewski für seine Bruckner-Interpretationen mit der Goldmedaille der Mahler-Bruckner-Gesellschaft ausgezeichnet. Was die Gesamtaufnahme auszeichnet, ist, dass Bruckners Kompositionen überzeugend, schnörkellos und zwingend gespielt werden – mit organischen Tempi, weder äußerst langsam noch sehr schnell. Skrowaczewski hat eine genaue Vorstellung von Aufbau, Gestalt, Form und der inneren Gesetzmäßigkeit jeder Symphonie. Schade nur, dass er bei der dritten Symphonie die dritte Fassung mit dem verstümmelten Finale gewählt hat, kleine Schwächen gibt es nur hin und wieder beim Spiel der Streicher.

Für seine Arbeit als Musiker erhielt Skrowaczewski unter anderem die höchste polnische Auszeichnung, den Orden vom Weißen Adler.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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