Zum 100. Todestag eines Veristen, der die Frauen über alles liebte

Beau, Frauenheld, Melancholiker: Giacomo Puccini (1858 - 1924)

Ich liebe die kleinen Dinge, und ich kann und will nur die Musik der kleinen Dinge machen, wenn sie wahr, leidenschaftlich und menschlich sind und zu Herzen gehen. Ich bin ein großer Jäger, ich jage wilde Vögel, Opernlibretti und schöne Frauen.“ (Giacomo Puccini)

Am 29. November 2024 jährt sich zum 100. Mal der Todestag einer der größten Erscheinungen der italienischen Oper, Giacomo Puccini, geboren in Lucca am 22. Dezember 1858, gestorben am 29. November 1924 in Brüssel. Der Komponist stammte aus einer Musikerfamilie, war ein großer Verehrer von Richard Wagner, seine Musik ist gekennzeichnet von ungeheurer dramatischer Ausdruckskraft. Musikalisch war er ein Vertreter des musikalischen Realismus, des Verismo, durch und durch. Zudem war er ein Mann, der die Frauen liebte, seine Melodien, die zu Tränen rühren, streifen oft die Rührseligkeit, was jedoch Schönheit und Wirkung seiner Musik keinen Abbruch tut. Völlig zu Recht bezeichnet ihn der Dirigent Franz Welser-Möst – neben Mozart, Verdi, Wagner, R. Strauss und Janàcek – als einen von seinen sechs „Operngöttern“. Neben den Frauen zählten die ruhige Abgeschiedenheit von Torre del Lago, schnelle Autos und Zigaretten zu seinen Leidenschaften, letztere brachte ihm, dem passionierten Raucher, auch einen relativ frühen Tod infolge Kehlkopfkrebses. Seine Kindheit verbrachte er in einer überwiegend weiblichen Familie und in einer Atmosphäre obsessiver und frustrierter Zuneigung, was wahrscheinlich den Grund dafür darstellt, dass die Hauptpersonen seiner Opern überwiegend Frauen sind, in denen allen ein bisschen von diesem Mann Puccini, Desillusionist und rücksichtsloser Frauenheld, der seinerseits eine starke weibliche Sensibilität verbergen musste, steckt.

Früher war es üblich, über Puccini nur mit größter Herablassung zu reden, vor allem den sog. „Gebildeten“ war er zu seicht und abgegriffen. Heute wird die dauerhafte Größe seines Werkes unbestritten anerkannt: Obwohl weder Bahnbrecher noch Neuerer, zählt, neben seiner enormen musikdramatischen Begabung, zu seiner Größe vor allem sein außergewöhnlicher Klangsinn, höchste Instrumentationskunst wie seine Fähigkeit, intimste psychologische Stimmungen musikalisch auszudrücken. Er hat eine eigene Tonsprache geschaffen, einen ganz eigenen Klangkosmos, der in der Vergangenheit, heute und in der Zukunft viele SängerInnen nährte, nährt und nähren wird.

Sein künstlerisches Schaffen erstreckte sich von 1884 bis 1924, wo seine zwölf Opern entstanden sind. Der frühe, überragende Erfolg scheint auch ein Grund für die geringe Zahl seiner Werke zu sein und enthob ihn der materiellen Notwendigkeit, immer neue Werke zu komponieren, wodurch er – neben seiner großen Jagdleidenschaft – auch seiner Vorliebe für das Reisen ausgiebig nachgehen konnte. Auch legte Puccini generell eine langsame, aber gründliche Arbeitsweise an den Tag.

Hinzuweisen ist noch auf einen ganz anderen Puccini, bringen doch seine zahllosen Briefe – schonungslose Zeugnisse eines von Schwermut und Lebensangst Gepeinigten – ungemein Erschütterndes zu Tage.

Die Grabstätte Puccinis befindet sich in seinem Haus in Torre del Lago. Die Republik Italien hat Puccinis Geburtshaus in Lucca, das heute ein Museum beherbergt, zugleich mit den Geburtshäusern von Rossini und Verdi mit dem europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.

Zusammenfassend zeichnet seine überragende Bedeutung die Tatsache aus, dass seine ihm eigene Modernität die italienische Oper ins 20. Jahrhundert geführt hat. Auf den Spielplänen der internationalen Opernhäuser stehen regelmäßig absolute Meisterwerke wie Manon Lescaut, La bohéme, Tosca, Madama Butterfly, La fanciulla del West – seine wohl beste Partitur, weil mit seiner feinsten, kühnsten Harmonik ausgestattet, Il trittico und sein Schwanengesang, den er nicht mehr vollenden konnte, Turandot – mit dem vervollständigten Schluss von Franco Alfano oder einem neukomponierten Finale von Luciano Berio.

Die Erinnerung an den 100. Todestag Giacomo Puccinis soll mit einer CD-Empfehlung abgerundet werden – „Tosca“, aufgenommen 1953 mit den Kräften von Teatro alla Scala di Milano, erschienen bei Warner: Diese Aufnahme stellt einen der ganz großen Meilensteine der Schallplattengeschichte klassischer Musik dar. Victor de Sabata dirigiert mit schier grenzenloser, vorwärtsdrängender Dramatik wie glühender Intensität. Als Partner von Maria Callas in der Titelrolle der Floria Tosca, sind Giuseppe di Stefano als Mario Cavaradossi und Tito Gobbi als Baron Scarpia zu erleben, beides Sänger, die es an dramatischer Kraft und Subtilität mit der „Primadonna assoluta“ aufnehmen konnten. Toscas große Arie im zweiten Akt „Vissi d’arte“ darf als das persönliche Manifest der Callas betrachtet werden.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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