Currentzis und Castellucci versuchen sich erneut mit DON GIOVANNI in Salzburg

Don Giovanni (Davide Luciano) bei den Salzburger Festspielen © SF/Monika Rittershaus

Im Wesentlichen sei dieser „Don Giovanni“ ein Kunstwerk, bemerkte Intendant Markus Hinterhäuser anlässlich der Neuproduktion von Wolfgang Amadeus Mozarts und Lorenzo Da Pontes dramma giocoso in zwei Aufzügen KV 527 bei den Salzburger Festspielen im Sommer 2021. Im heurigen Jahr hat man nun – im Rahmen eines außergewöhnlichen wie spannenden – Opernprogrammes die durch und durch artifizielle Inszenierung von Romeo Castellucci, der neben der Regie auch Bühne, Kostüme und Licht eingerichtet hat, unterstützt von Cindy van Acker (Choreografie) und Piersandra Di Matteo (Dramaturgie), wieder aufgenommen. Der Figur des kompromisslosen, regel- wie zügellosen Libertins nähert sich Castellucci auf sehr differenzierte Weise an, stets den spannungsgeladenen Kontrast zwischen Vitalität und Zerstörung im Fokus. Der Todestrieb dieser Figur ist von Beginn an spürbar, mitunter tun sich bedrohliche Abgründe in der Szene auf. Das spielerische Element wird in dieser Regiearbeit, die über hohen ästhetischen Wert verfügt, nur angerissen, angedeutet, weshalb es wahrscheinlich konsequenter gewesen wäre, das Stück mit Giovannis Höllenfahrt – ohne das abschließende Sextett der übrigen Protagonisten – enden zu lassen. „Alles, was stattgefunden hat, entspringt den verborgenen Winkeln seines Geistes.“ – erklärt der Regisseur im Vorfeld der Produktion, „alle Figuren auf der Bühne werden von Giovannis Innerem hervorgebracht.“ Diese Reise durch die Seele der Figur des Don Juan, die unentwegt zerstörerische Kraft birgt, geht mit ungeheurem Aufwand, sowohl was Personen auf der Bühne als auch Regieeinfälle betrifft, über die Bühne des Großen Festspielhauses: Weniger wäre da des Öfteren mehr gewesen. Jede(r) ernsthaft an der Auseinandersetzung mit Musiktheater Interessierte sollte aber diese Tour machen, weil der Stoff, der Mythos des Don Juan erhellend, abwechslungsreich und tiefschürfend in höchst subtiler, psychologisch fundierter Personenregie wie Personenführung durchleuchtet wird. Beeindruckend, wie Castellucci es versteht, den überbreiten Raum des Großen Festspielhauses cinemascopeartig zu bespielen. Als Kulisse dient ihm eine leer geräumte Kirche, deren Ambiente an die Salzburger Kollegienkirche erinnert und deren weißlich heller Raum im krassen Gegensatz zur Schwärze des diabolischen Stückes steht.

Im Orchestergraben waltet wie vor drei Jahren der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis, dieses Mal am Pult des Utopia Orchestra, unterstützt vom Utopia Choir (Choreinstudierung: Vitaly Polonsky). Seinen harschen, rauhen, deutlich überakzentuierten, grell scharfen Orchesterklang wie seine oft eigenwilligen Tempi bei Mozarts Musik muss man nicht mögen; der eingeschlagene Interpretationsansatz mit diesem betont ausgedürrtem Orchesterklang wird aber konsequent, radikal durchgezogen und darf bei Festspielen gewiss zur Diskussion gestellt werden.

Aus dem homogenen Ensemble auf der Bühne ragen Davide Luciano als sinnlich viriler Don Giovanni, welcher der rastlos getriebenen Figur mit seinem leicht geführten Bariton auch die für diese Rolle unerlässliche, gewisse Note an Aristokratie in der Stimme verleiht, sowie die famose Donna Anna von Nadezhda Pavlova mit ihrem in allen Lagen superb geführten Koloratursopran, der die richtige Stimmlage für diese Rolle darstellt, heraus. Dmitry Ulyanov als mächtiger Komtur, Federica Lombardi als furiose Donna Elvira, Kyle Ketelsen als im Stimmcharakter dem Titelhelden zu ähnlichem Leporello, Julian Prègardien als feiner Don Ottavio, von der Regie leider bisweilen der Lächerlichkeit preisgegeben, sowie Anna El-Kashem und Ruben Drole als Bauernpaar Zerlina und Masetto runden das Ensemble ab.

Nach einer Aufführungsdauer von vier Stunden gibt es auch in der Vorstellung am 9. August 2024 einhelligen Publikumsjubel für die Ausführenden im Großen Festspielhaus.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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