Schräge Töne beim Claudio Abbado Konzert

Nicolas Hodges und Susanne Blumenthal im Claudio Abbado Konzert im Rahmen von WIEN MODERN © Thomas Rauchenwald

Vor zehn Jahren ist der große Erneuerer Claudio Abbado gestorben und gedenkt das Festival Wien Modern seinem Gründer mit einem Festkonzert.

Für das Claudio Abbado Konzert am 29. November 2024 im Musikverein zu Arnold Schönbergs 150. Geburtstag haben Wien Modern, RSO Wien, ACOM Austrian Composers und das Arnold-Schönberg-Center um Orchesterwerke gebeten: Die drei von der Jury – bestehend aus Annesley Black, Susanne Blumenthal, Bernhard Günther, Clara Iannotta, Jean-Bernard Matter und Mia Zabelka – ausgewählten Werke (Call for Scores Orchesterwerke Arnold Schönberg 2024) hebt Dirigentin Susanne Blumenthal bei ihrem Debüt am Pult des ORF Radiosymphonieorchesters Wien aus der Taufe.

Zu Beginn erklingt Ein Baum. Entwurzelt. Der ins Leere fällt … von Tanja Elisa Glinsner aus 2022, ein gekonnt instrumentiertes Orchesterwerk mit interessanten Klangfarben, gefolgt von der Musik für Kammerorchester von Shiqi Geng  in der Fassung für großes Orchester, entstanden 2022/2023, als erste Uraufführung an diesem Abend, wobei das mit teilweise an Mahler, Strauss und Sibelius gemahnende Werk höchst spannend und abwechslungsreich daherkommt, und bildet das ebenfalls uraufgeführte Aima (Blut) für Orchester von Marios Jannou Elia, den überwiegend lärmenden Schlusspunkt des ersten Konzertteils.

Nicolas Hodges ist im zweiten Teil des Konzertes nach der Pause der Solist in einem über den Maßen außergewöhnlichen Werk von einem der bemerkenswertesten Schüler Arnold Schönbergs, nämlich im Concert for piano and orchestra von John Cage. Die ungewöhnliche Sitzordnung der MusikerInnen und die unklassische Dirigiertechnik in diesem 1958 in New York uraufgeführten Stück sorgten 1959 für das vermutlich letzte Skandalkonzert in Wiens Musikleben, verfügt dieses denn keine Partitur im herkömmlichen Sinn, sondern über 63 nummerierte Blätter mit weitgehend grafischer Notation. Besetzung, Dauer und auch konkrete Klänge sind nicht festgelegt, die Dirigentin oder der Dirigent ist quasi ein „Chronometer“ und setzt die Arme wie die Zeiger einer Uhr zur Organisation des sehr freien Ablaufs ein. Susanne Blumenthal am Pult, den Blick in den Zuschauerraum gerichtet, exerziert das souverän, die im Saal verteilten OrchestermusikerInnen holen alles aus ihren Instrumenten heraus. Der Solist bearbeitet, ja traktiert den Steinway geradezu, mitunter erinnert das Ganze doch eher an eine Performance, wenn er mit einem Hammer unter den Flügel kriecht und damit auf den Körper des Instrumentes klopft.  Das schräge Stück amüsiert ein paar junge Damen vor mir in der Sitzreihe – nachvollziehbar – über den Maßen und man wird den Eindruck nicht los, dass sich das Publikum auch Jahrzehnte nach der Uraufführung nicht wirklich damit anfreunden kann, worauf verhaltener Applaus am Schluss hindeuten würde.

Dennoch: Die moderne Musik ist mittlerweile etabliert, vor allem viele junge Menschen sitzen in den Veranstaltungen und hören aufmerksam zu. 

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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