Nach der Konfrontation mit Schuberts „Großer“ C-Dur-Symphonie und der Hochzeit mit Clara Wieck wendet sich Robert Schumann der Symphonik zu, 1841 vollendet er seine Symphonie Nr. 1 B-Dur op. 38. Dieses Werk mit dem Titel „Frühlingssymphonie“ mag – im Hinblick auf die verheerenden Unwetter der vergangenen Tage in Ostösterreich – wie ein Sonnenstrahl für das Publikum beim diesjährigen Internationalen Brucknerfest im ersten Teil des Konzertes am 19. September 2024 im Großen Saal des Brucknerhauses Linz gewirkt haben. Die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Christian Thielemann sind ganz in ihrem Element bei der Wiedergabe des unproblematischen Werkes: Obwohl Schumann noch vor der Uraufführung die ursprünglichen programmatischen Überschriften der einzelnen Sätze – „Frühlingsbeginn“, „Abend“, „Frohe Gespielen“, „Voller Frühling“ – unter Beibehaltung des Werktitels eliminiert hatte, offenbart sich der Dreiklang von Freude, Glück und Liebe dieses Hymnus‘ an den Frühling auf wundervolle Weise, wird doch die Natürlichkeit des Werkes bei dieser schwungvoll kräftigen Interpretation äußerst geschmackvoll erfasst.
Naturgemäß steht im Jahr, wo die Musikwelt seinen 200. Geburtstag feiert, auch ein Werk des Jahresregenten auf dem Programm. Eine Aufführung von Wagners „Tannhäuser“ in Linz 1863 wird zum kompositorischen Erweckungserlebnis für Anton Bruckner, der danach wieder sein symphonisches Schaffen aufgreift. Mag seine Symphonie Nr. 1 c-moll WAB 101 in ihrer ersten, der „Linzer Fassung“ aus 1865/1866 durchaus noch als „s’kecke Beserl“, wie der Meister der Großsymphonik sein Werk selbst bezeichnet, durchgehen, obwohl schon der Kopfsatz des Werkes vieles enthält, was Bruckners Symphonik bestimmt, nämlich den Kontrast des rhythmisch prägnanten Hauptthemas mit einer lyrischen Gesangsperiode als zweites Thema sowie ein wuchtiges, drittes Thema, stellt die für das Konzert gewählte, zweite „Wiener Fassung“, geschaffen zwischen 1889 und 1891, gewidmet der Universität Wien als Dank für die Verleihung der Ehrendoktorwürde, einen vollendeten Beitrag zur Werkgattung dar, weil in den harmonischen Abläufen weit organischer gestaltet und „auf wissenschaftlicher-contrapunctischer Grundlage“ (Bruckner) beruhend als die Erstfassung. Auch dieses Werk auswendig dirigierend, mit organischen Tempi und einem vom Beginn bis zum Ende gehaltenen, großen Spannungsbogen gelingt Thielemann und dem in allen Instrumentengruppen hervorragend aufgestellten Wiener Meisterorchester eine kompakte, wie aus einem Guss musizierte Wiedergabe, die in einer mächtig gesteigerten, fulminant strahlenden Coda – die feierliche Schlussapotheose in jubelnden C-Dur genussvoll auskostend – gipfelt. Thielemanns starke Interpretation verdeutlicht aber auch die forsche Schroffheit und kompromisslose Radikalität von Bruckners symphonischen Erstling.
Lautstarker Beifall im Linzer Brucknerhaus für die Gäste aus Wien und den deutschen Dirigenten.