Tempest Project – Peter Brooks Schwanengesang bei den Wiener Festwochen

Das Ensemble von "Tempest Project" im Jugendstiltheater © Thomas Rauchenwald

Solche Aufführungen sind der Stoff, aus dem die Träume sind! SIMPLY CLASSIC macht einen Abstecher ins Reich des Sprechtheaters. Im Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe im Rahmen der Wiener Festwochen gibt es als Gastspiel das letzte große Theaterprojekt des 2022 verstorbenen Peter Brook rund um „Der Sturm“ von William Shakespeare zu sehen, eine Produktion von Centre International de Création Théatrales / Théatre des Bouffes du Nord, Paris. Einfach nur glücklich dürfen sich alle schätzen, welche die letzte Arbeit des Theatermagiers Brook – als solcher ist er beispielsweise, um nur ein paar der Allergrößten zu nennen, auf eine Ebene mit Max Reinhardt, Giorgio Strehler, Patrice Chereau und Peter Stein zu stellen – sehen, erleben durften.

Zeitlos wie Shakespeares Vorlage, dieser philosophischen Betrachtung über Macht, Unterdrückung, Verrat, Vergebung, Liebe und Freiheit ist auch die Regiearbeit Brooks, eine Regiearbeit, die mit den geringsten Mitteln überhaupt auskommt und dabei ein Maximum an Magie, Emotionen und Dichte zu erzielen vermag.

„Frei“ – das letzte Wort des Stückes, ist wahrscheinlich auch das letzte Wort aus Shakespeares Feder. „Prospero öffnet sich, er begreift, dass er seine Freiheit nicht allein finden kann, er kann nicht mehr auf seiner Insel bleiben, er muss sie seinem Sklaven Caliban zurückgeben, dem sie gehört. Er muss seinen treuen Geist Ariel in die Freiheit entlassen, seinem Bruder verzeihen, seine geliebte Tochter Miranda ziehen und sie … Ferdinand heiraten lassen, und nun wünscht er sich seine eigene Freiheit – aber von wem?“ – so Peter Brook selbst über „Der Sturm“. Wie hat da Einer doch das Werk verstanden – und bringt es, minimalistisch, auf das Wesentlichste, das heißt auf den Text (bei der Adaption unterstützt von Marie-Héléne Estienne) und die SchauspielerInnen reduziert, mit wenigen Szenenbildern und Requisiten, mit einer Spieldauer von nur 85 Minuten, über den Maßen berührend, bewegend, schlicht überzeugend, auf die Bühne.

So fein wie die Handlungsfäden von Brook gesponnen werden, so fein wird auch gespielt und gesprochen. Das großartige Ensemble besteht aus sechs SchauspielerInnen: Ery Nzaramba (nobel zurückhaltend, ergreifend als Prospero), Sylvain Levitte (die schauspielerisch beste Leistung als Caliban und Ferdinand), Marilú Marini (Ariel), die Zwillinge Luca Maniglio und Fabio Maniglio (Trinculo und Stefano) sowie Paula Luna (Miranda).

Derart entsteht großes, einzigartiges Theater: Peter Brook verzaubert, bezaubert mit seinem Schwanengesang ein letztes Mal die Menschen! Heftiger Jubel des Publikums auch in der Aufführung am 16. Juni 2024. Bleibt noch zu hoffen, dass auch die einzigartige Spielstätte, das Jugendstiltheater am Steinhof, ein Juwel sondergleichen, bald vor dem drohenden Verfall gerettet werden mag: Hier sollte die Wiener Kulturpolitik dringend am Zug sein.

Themenschwerpunkte
Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert