Andreas Schager, ein echter Heldentenor mit lyrischem Schmelz

Andreas Schager beim Interview © Thomas Rauchenwald

Am Vormittag des 21. Mai 2024 wurde mir die Ehre zuteil, den österreichischen Tenor Andreas Schager anlässlich seines Rollendebüts als Giuseppe Verdis „Otello“ an der Wiener Staatsoper zu einem zwanglosen Gespräch im „Terrassencafé“ im Hundertwasserhaus in Wien zu treffen. Der über den Maßen sympathische Sänger ist nicht nur ein genuiner, echter, schwerer Heldentenor, sondern singt auch mit betörendem Schmelz, wie Ende April an der Berliner Staatsoper in Richard Wagners „Lohengrin“.

Mein Rollendebüt als „Otello“ war ein Sprung ins kalte Wasser. Und jetzt war auch die Zeit reif dafür. Man hat zwischen den Vorstellungen im jeweiligen Engagement ja kaum Zeit, eine neue Rolle zu studieren. Eine solche Rolle muss man vor allem in den Körper kriegen. Das Schwierige für mich war auch, dass Verdi nicht nur eine ganz andere musikalische Sprache, sondern die italienische Sprache mit ihren vielen Vokalen eine ganz andere Sprache als die deutsche mit ihren vielen Konsonanten darstellt. Hier die richtige „Italianitá“ zu bekommen, bedarf natürlich sehr viel Vorbereitung. Ich hatte dafür glücklicherweise großartige Coaches, die mich dabei sehr unterstützt haben.

Schauen wir einmal, ob auch noch andere Rollen im italienischen Fach kommen. Sobald man einmal mit Wagner beginnt, vor allem mit dem „Ring“, ist man diesbezüglich auf Jahre hinaus ausgebucht, weil jedes große Haus, das versucht, einen Ring zu stemmen, auf fünf oder sechs Jahre im Voraus planen muss, vor allem beachten muss, welche Sänger für „Siegfried“, von denen es nur mehr wenige gibt, verfügbar sind. Selbst Karajan hatte diesbezüglich bereits Schwierigkeiten, weil es damals im Grunde nur René Kollo dafür gab.

Der feine lyrische Schmelz in meiner Stimme rührt vielleicht noch von meiner Operettenvergangenheit, beispielsweise am Stadttheater in Baden bei Wien, her. Ich habe zehn Jahre Operette gesungen, was mir, im Nachhinein betrachtet, ungemein viel gebracht hat – nicht nur im Hinblick auf das freie Bewegen auf der Bühne, sondern auch den Schmelz betreffend, den man zum Singen braucht. Für mich war das eine fantastische Vorbereitung für die Heldenrollen, die ich jetzt singe. Also durchaus im Stile eines René Kollo, der ja bekanntermaßen auch mit Operette begonnen hat.

Das lyrisch Schmelzhafte in meiner Stimme hat auch Daniel Barenboim vor zwölf Jahren beeindruckt, als er meine Stimme gehört hat. Andere hat das abgeschreckt, damals war ich noch ein Niemand. Im Grunde stimmt das Gerücht, dass ich mehr oder weniger von Barenboims Scouts entdeckt worden bin. Vor Barenboim habe ich mich aber bereits in Halle unter Karl-Heinz Steffens mit beiden Siegfrieden bewiesen. Steffens, Soloklarinettist bei den Berliner Philharmonikern, war eng mit ihm befreundet und hat mich dann zu Barenboim empfohlen. Wenn man so will, war auch er einer der Scouts von Barenboim.

Mein erster Sprung ins Wagner-Fach, quasi der „Link“, der mir zwischen Operette und Wagner gefehlt hatte, war der David in den „Meistersingern“ in Erl. Diese Rolle darf man nicht unterschätzen. David hat auch heldische Töne, muss er sich doch im großen Dialog mit Stolzing richtig beweisen.

In der nächsten Saison kommt, was Wagner betrifft, auch der Siegmund an der Wiener Staatsoper. Tannhäuser, den ich sehr gerne singe, habe ich an der Deutschen Oper Berlin und an der Metropolitan Opera in New York, ganz früh in meiner Karriere in Antwerpen, gesungen und kommt erst wieder in der übernächsten Saison in Madrid – dieser wunderbaren Stadt, in der ich bereits Siegfried mit dem fantastischen, großartigen Musiker Pablo Heras-Casado, der ja auch voriges Jahr in Bayreuth mit „Parsifal“ reüssiert hatte, was übrigens eine tolle Zusammenarbeit von uns gemeinsam bei diesem Werk war – wieder. Stolzing ist derzeit leider nicht am Horizont, obwohl ich ihn sehr gerne machen würde, weil es so eine schöne Musik, wie schmelzende Butter zu singen, ist. Als eine der lyrischeren Rollen von Wagner werden heute dafür bevorzugt die Tenöre der nächsten Generation am Markt engagiert.

Rollen wie Florestan, Max, Bacchus, Kaiser, Apoll gibt es weiterhin, hier kommt jetzt noch eine weitere neue – Midas in „Die Liebe der Danae“ – Anfang Januar 2025 in München dazu. Außerdem muss ich jetzt langsam beginnen, Rollen zu singen, wo man nicht unbedingt ein jugendlicher Teenager ist, aber so lange die Maskenabteilungen so gut arbeiten … . Wunschpartien, die ich noch gerne machen würde, wären, neben dem bereits erwähnten Stolzing, Paul in „Die tote Stadt“, Don Josè in „Carmen“, Enée in „Les Troyens“ – das Französische ist so schön zu singen – und „Palestrina“.

„Musik ist eine heilige Kunst!“ Gelten diese Verse von Hofmannsthal auch für Andreas Schager? Absolut! Musik ist eine heilende Kunst, man muss „heilig“ diesbezüglich beim Wortstamm nehmen, ganz im Schubert’schen Sinne von „Du holde Kunst, in wie viel grauen Stunden, wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt, hast du mein Herz zu warmer Lieb‘ entzunden, hast mich in eine bessre Welt entrückt!“ Musik und Kunst sind immer die Brücke, auch in diesen Zeiten mit Krieg, Verwüstungen und politischen Wirren, in denen wir gerade leben. Von der Kunst kann man sich immer eine Scheibe abschneiden und die Welt wird besser; wenn sich Politik in Kunst einmischt, wird es bedauerlicherweise immer schlechter.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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