Auseinandersetzungen mit dem Tod: Sir Simon Rattle mit dem BRSO im Wiener Konzerthaus

Sir Simon Rattle dirigiert im Wiener Konzerthaus © Severin Vogl

Angeregt durch das Ableben seiner Mutter und den Tod Robert Schumanns hat Johannes Brahms „Ein deutsches Requiem“ op. 45, nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester zwischen 1854 und 1868 geschaffen. Das Werk malt nicht wie andere Totenmessen die Schrecken des Jüngsten Gerichtes, sondern stellt in erster Linie Trauer und Trost nach freigewählten Worten der Bibel in Form einer Chorkantate dar.

Dieses großartige Werk, ein Schlüsselwerk des Komponisten und eines seiner beliebtesten überhaupt, kommt am 15. Februar 2025 im Wiener Konzerthaus zur Aufführung – die Ausführenden sind Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks unter ihrem Chefdirigenten Sir Simon Rattle, Lucy Crowe, und, kurzfristig für den erkrankten Andrè Schuen eingesprungen, Florian Boesch.

Sir Simon Rattle interpretiert das Werk mit großer Herzenswärme, verblüfft dabei durch zügige, wenig getragene Tempi. Das Orchester, gewiss eine Formation von Weltklasse, lässt überaus differenzierten, flexiblen Orchesterklang vernehmen. Schwere des Themas, Wehmut, Ernst, Herbheit, Mitleid, Schwingungen und Spannungen im Extrembereich sowie die Wucht der Musik stehen bei dieser zügigen Gangart nicht im Zentrum: Rattle setzt mit seiner Interpretation vor allem auf eilige Schönheit, allzu raschen Trost und damit auf eine Werkdeutung, die bedauerlicherweise wenig berührt. Der Sopran von Lucy Crowe schwebt im fünften Abschnitt schön vom Himmel, der Bariton von Florian Boesch klingt an diesem Abend etwas brüchig. Die Krone an diesem Abend gebührt eindeutig dem Chor, der plastisch differenzierten Gesang bei vorbildlicher Artikulation verströmt.

Tod und Trauer verbinden alle Menschen – dieser Gedanke dominiert nicht nur das Requiem von Brahms, sondern auch „Remembering“, ein 2014/2015 entstandenes Orchesterwerk des 1960 geborenen Mark-Anthony Turnage, gewidmet dem 2013 verstorbenen Evan Bingham Scofield, entstanden als Auftragswerk für das London Symphony Orchestra. Wie im ersten Abschnitt bei Brahms die Violinen schweigen, entfernte der Komponist auf die Bitte von Sir Simon Rattle bei diesem Werk die Geigen aus dem Orchesterapparat. Bei seiner Erstaufführung im Wiener Konzerthaus ist dieses Stück auch im ersten Teil des Konzertes vor der Pause bei Rattle, der in seinen Programmen gewohnt auf zeitgenössische Musik setzt, in besten Händen.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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