Beethovens „Missa solemnis“ – Unter Adam Fischer irdisch, forsch und prunkvoll

Adam Fischer inmitten Chor und Orchester nach der "Missa solemnis" am 27. Mai 2024 © Thomas Rauchenwald

Unter der Leitung des ursprünglich vorgesehen Herbert Blomstedt hätte dieses Menschheitswerk von Ludwig van Beethoven gewiss anders geklungen: Nachdem der 97jährige Dirigent aber weiterhin nach einem Sturz rekonvaleszent ist, haben die Wiener Philharmoniker in ihrer siebenten Soiree am 27. Mai 2024 Adam Fischer ans Pult gebeten, um mit ihm und gemeinsam mit dem von Johannes Prinz einstudierten Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und einem exquisit homogenen Solistenquartett die „Missa solemnis“ für vier Solostimmen, Chor, Orchester und Orgel, D-Dur, op. 123, zu musizieren.

Beethoven wollte mit diesem großartigen Werk keinesfalls kirchlichen oder weltlichen Autoritäten schmeicheln, sondern seinen Freund, den zum Erzbischof von Olmütz ernannten Erzherzog Rudolph von Österreich ehren, huldigen. Diesen Ansatz nimmt Adam Fischer sehr ernst, ja beim Wort, vergegenwärtigt man sich dessen in allen Nuancen prächtige Interpretation, was von passioniertem Orchesterspiel über vollstimmigen Chorgesang und einem beseelten, mit warmem vollem Geigenton vorgetragenen Violinsolo (Yamen Saadi) bis zu stimmstarken SolistInnen – Julia Kleiter (Sopran), Catriona Morrison (Mezzosopran), Maximilian Schmitt (Tenor) und Florian Boesch (Bass) – reicht. Beethovens im Grunde ob seiner wahren inneren Größe unfassbares Werk kommt in dieser Interpretation beinahe irdisch, forsch und überaus prunkvoll daher. Nach einem konsequent flehentlich flehenden „Kyrie“ pfeffert Fischer im Verein mit den Ausführenden die Lobpreisung des Herren im „Gloria“ und das Glaubensbekenntnis des „Credo“ nur so in den Goldenen Saal: So „fetzig“ klangen diese Abschnitte weiland nur unter Nikolaus Harnoncourt. Die stärksten Momente erzielt er aber im innig innehaltenden „Et incarnatus est“, einem bewegenden „Et homo factus est“ und einem jubelnden „Et resurrexit“ im Credo. Das „Sanctus“ fließt ruhig und die Schlachtenmusik im abschließenden „Agnus Dei“ besitzt bereits ein Übermaß an Dramatik. Adam Fischer, dieser immer bescheidene, um seine Person nie Aufhebens machende, aber auch immer politische Dirigent, der sich immer gegen Unterdrückung der Freiheit und Repressalien jeglicher Art gewehrt hat, lässt die „Pacem“-Schreie am Schluss dann nur so gellen, ehe er das Werk unspektakulär, beinahe verhalten, enden lässt: Ähnlich Beethoven misstraut er offensichtlich einem vordergründigen Katholizismus. Das Publikum dankt spontan mit herzlichem Applaus.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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