Bruckners „Romantische“ mit Geräuschkulisse im Wiener Musikverein

Der Wiener Musikverein zu Beginn der neuen Saison in spätsommerlicher Abendsonne © Thomas Rauchenwald

Nach der Sommerpause öffnet die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien wieder ihre Pforten, in 75 Abonnementzyklen stehen in der Saison 2024/2025 fast 900 Konzerte auf dem Spielplan und gibt es auch eine neue Ansage vor dem jeweiligen Konzertbeginn, worin darauf aufmerksam gemacht wird, dass nicht nur das Klingeln, sondern auch das Aufleuchten von Mobiltelefonen den Musikgenuss stört.

Im ersten Orchesterkonzert der neuen Saison am 6. September 2024 gastiert nach einer Reihe von Residenzen wieder einmal das Cleveland Orchestra, das gewiss zu den weltbesten Formationen zu zählen ist, unter der Leitung von Franz Welser-Möst, der dem Orchester seit 2002 als Musikdirektor verbunden ist, im Großen Saal des Wiener Musikvereins. Programmatisch werden Werke von Richard Wagner und Anton Bruckner gegenübergestellt: Die leidenschaftlich rauschhafte Klangsprache des Bayreuther Meisters des Musikdramas trifft auf die ruhig monumentalen Klangwellen des oberösterreichischen Meisters der Großsymphonik.

Zu Beginn werden Liebessehnsucht und deren Erfüllung im Tod in der Konzertfassung von Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ und „Isoldes Liebestod“ von Welser-Möst und dem Orchester in einem Guss schnörkellos musiziert, ganz auf die Sogwirkung dieser Musik vertrauend, wobei kleine Unstimmigkeiten der Bläser den gelungenen Gesamteindruck ein wenig trüben.

Nach der Pause ist die Symphonie Nr. 4, Es-Dur, WAB 104, die „Romantische“, in der Fassung 1878 bis 1880, des Jahresregenten Anton Bruckner, dessen Geburtstag die Musikwelt am 4. September 2024 gefeiert hat, zu hören. Welser-Möst, einer der besten Bruckner-Dirigenten unserer Tage überhaupt, setzt das Werk zwingend wie tiefschürfend um, die erratischen Blöcke gehen nahtlos ineinander über, die großen Steigerungen werden monumental aufgebaut und herausgearbeitet, über dem gesamten Werk liegt vom Anfang bis zum Schluss Hochspannung. Vielleicht würde sich der ganze Reichtum von Bruckners dichter Musik bei etwas langsameren Tempi noch mehr entfalten als in dieser höchst kompakten, ausgewogenen, sehr zügigen Werkdeutung. Leider hatten die Gäste aus Cleveland im Rahmen einer Europa-Tournee nicht ihren besten Tag erwischt, was nicht am fein warmen Streicherklang lag, eher am mitunter aufdringlich quäkenden Holz und scharf grellen Blech, das bisweilen allzu dominant schmetternd in den Goldenen Saal strahlte.

Beeinträchtigt wurde die Gesamtstimmung des Abends bedauerlicherweise auch durch ein betont unruhiges Publikum, war doch der Musikgenuss immer wieder gestört durch einen hohen Geräuschpegel, ausgelöst durch lautes Blättern in den Programmheften, emsiges Kramen in Handtaschen und Auswickeln von Bonbons.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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