„Cosí“ erstickt im Klamauk: Jordan und Kosky beenden ihren Mozart-Zyklus in Wien

Christopher Maltman (Alfonso), Federica Lombardi (Fiordiligi) und Emily d'Angelo (Dorabella) © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Die letzte Premiere dieser Saison an der Wiener Staatsoper gilt dem dramma giocoso „Cosí fan tutte ossia La scuola degli amanti“ von Wolfgang Amadezs Mozart mit dem Text von Lorenzo Da Ponte. Das Werk war jetzt mehr als acht Jahre nicht im Haus am Ring zu erleben, weshalb die Neuproduktion der Wiener Staatsoper unter der musikalischen Leitung von Musikdirektor Philippe Jordan, der auch die Rezitative selbst am Hammerklavier begleitet, und in der Regie von Barrie Kosky, der damit auch seine Da Ponte – Trilogie am Haus abschließt, mit großer Spannung erwartet wurde.

Dass Jordan „Cosí fan tutte“ ganz besonders gut kann, das Stück liegt ihm einfach, hat er vor einigen Jahren bereits in Paris unter Beweis gestellt. Am Pult des wunderbar timbrierten Orchesters der Wiener Staatsoper mit hervorragenden Solisten – wunderbar das runde Wiener Horn in Fiordiligis großem Rondo im zweiten Akt – gelingt dem Dirigenten eine stimmige, organische Wiedergabe von Mozarts Partitur trotz bisweilen eigenartiger Tempi: So sind „Come scoglio“ Fiordiligis und das Duett „Il core vi dono“ sehr getragen musiziert, „Soave sia il vento“ zieht wiederum sehr rasch vorbei. Jordans durch und durch überzeugendes Gesamtkonzept, was das Dirigat belangt, wird durch solche Feinheiten jedoch in keiner Weise beeinträchtigt.

Was die SängerInnen betrifft, ist besonders bei „Cosí“ eine echte Ensembleleistung vonnöten, die, mit Abstrichen, auch in der zweiten Aufführung der aktuellen Premierenserie am 19. Juni 2024 über weite Strecken zu verzeichnen ist. Die Besten sind dabei die attraktive Federica Lombardi als mitunter betörend singende Fiordiligi mit ihrem cremig sahnigen, in der Höhe wunderbar runden, aufblühenden Sopran und Christopher Maltman als Don Alfonso mit kräftigem, nuancenreichem Bariton. Emily D’Angelo steigert sich im Laufe des Abends mehr und mehr, irgendwie berührt ihr etwas greller Mezzo aber nicht; Mezzosopranistin Kate Lindsey als athletische Despina scheint stimmlich nicht wirklich geeignet besetzt. Peter Kellner singt einen schönen Guglielmo, ein an Nuancen reicher Bariton klingt jedoch anders. Infolge einer Luftröhrenentzündung und im Hinblick auf die komplexen darstellerischen Anforderungen, was die – übertriebenen – Bewegungen auf der Bühne betrifft, kann Filipe Manu den Ferrando nur auf der Bühne mit Lippenbewegungen spielen und singt Ben Bliss aus dem Orchestergraben: Dem amerikanischen Tenor ist eine ganz feine, geschmackvolle Leistung mit ungemein ansprechendem, echtem Mozart-Tenor zu attestieren.

Nach einem anstrengenden Arbeits- bzw. Bürotag hat die Inszenierung des deutsch-australischen Opern- und Theaterregisseur Kosky gewiss hohen Unterhaltungswert – Dichte, Gehalt und Abgründen des Stückes wird sie jedoch in nur bescheidenem Ausmaß gerecht, zu dominant sind vordergründiger, platter Klamauk und harmlose Oberflächlichkeit auf der Bühne. Das Werk ist nur auf den ersten Blick komisch, hinter einer humorigen Fassade lauert eine mitunter menschenverachtende Bösartigkeit im Hinblick auf das perfide Spiel, was darin mit Gefühlen junger Menschen getrieben wird. Don Alfonso als Strippenzieher der Handlung, im Kontext der drei Da Ponte – Opern vom draufgängerischen Cherubino über den grenzenlosen Libertin Don Giovanni zum alten, eiskalten Zyniker mutiert, ist hier ein moderner, inszenierender Intendant, der seine SängerInnen auf einer Bühnenprobe wie Marionetten tanzen lässt: Ein Spiel im Spiel, Ernst und Fiktion kann man nur schwer unterscheiden, überdies ist dieser Kunstkniff nicht neu. Die durch und durch sexistisch heimtückische Niedertracht, womit die allerdings nicht unverdorbenen jungen Frauen, in die Irre geführt werden, entgleitet in Belanglosigkeit bei diesem permanenten Turnen, Hopsen, Springen und anderen nahezu akrobatischen Einlagen, welche die SängerInnen auf der Bühne zeigen müssen. Dass dabei vielfach das Singen auf der Strecke bleibt, mag kaum verwundern. In Da Pontes durchaus aufklärerischem Text war die Zeit zur Problematik des Stückes, welche Paare denn nun die richtigen sind, Stellung zu beziehen, noch nicht reif genug. Diese Frage hat Mozart aber mit seiner genialen Musik eindeutig beantwortet, wenn sich mit den vermeintlich falschen Paaren aber die richtigen Stimmlagen vereinen. Solche und andere Schwerpunkte werden in der flotten Regie von Kosky leider nicht einmal ansatzweise zur Diskussion gestellt, denn platter Ulk dominiert in der tristen Ausstattung von Gianluca Falaschi das Geschehen. Die Bühne beherrscht ein hohes, desolates Barock-Bühnenportal, die Kostüme geraten einerseits proletig, andererseits historisierend, Ästhetik wie guter Geschmack auch im Hinblick auf Mozarts feine, großartige Musik sehen anders aus. Und man hat schon magischeres Licht gesehen als die Beleuchtung von Martin Schebesta zu dieser Produktion. Nach einem durchwachsenen „Giovanni“ und einem solide gelungenen „Figaro“ ist diese „Cosi“ inszenatorisch am wenigsten gelungen, was Koskys Da Ponte-Zyklus betrifft.

Jordan und sein Ensemble ernten am Ende jedenfalls starken Zuspruch des Publikums.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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