Im Rahmen der Reihe „Friday@7“ spielen die Wiener Symphoniker im Wiener Konzerthaus kompakte Konzerte im Großen Saal mit anschließendem lockerem Ausklang im Foyer. Ob die Kombination aus Anton Bruckners zwischen 1875 und 1878 entstandener Symphonie Nr. 5 B-Dur, seinem kontrapunktischen Meisterwerk, mit Les Lilas, einem Ensemble von fünf MusikerInnen unterschiedlicher musikalischer Wurzeln, die eine gemeinsame Vorliebe für Jazz haben, angebracht ist, muss einmal dahingestellt bleiben. Neue Publikumsschichten für das Werk des großen oberösterreichischen Symphonikers werden da, vor allem in seinem Jubiläumsjahr, jedenfalls gewonnen, auch solche, die bereits nach dem ersten Satz der aufgeführten Symphonie applaudieren. Ja, Bruckner kann unvoreingenommen begeistern …
Lahav Shani, Chefdirigent der Rotterdamer Philharmoniker und designierter Chef bei den Münchner Philharmonikern, der mit Einspielungen der fünften und siebten Symphonie Bruckners bereits aufhorchen hat lassen, musste sein Dirigat kurzfristig absagen. Cornelius Meister, seit 2018 Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart und des Staatsorchesters Stuttgart, ist dankenswerterweise kurzfristig eingesprungen – und verblüfft nahezu mit einer ungemein zwingenden Wiedergabe von Bruckners fünfter Symphonie mit sehr gut aufgestellten, sehr motiviert agierenden Wiener Symphonikern.
Irgendwie erinnert die Gestaltung Meisters, der das Riesenwerk auswendig dirigiert, an den großen Bruckner-Papst Sergiu Celibidache, was eher langsame Tempi betrifft und den Umstand, dass Meister Bruckners erratische Blöcke deutlich herausarbeitet und gegenüberstellt, darüber aber einen großen Spannungsbogen erzeugen und von Anfang bis zum Schluss halten kann. Auffallend präsentieren sich auch bisweilen extreme dynamische Unterschiede im Klang. Obwohl naturgemäß in wenigen Proben die jeder Erdenschwere entbehrende, unvergleichliche Transzendenz Celibidaches nicht erzielt werden kann, entsteht ein gewaltiger erster Satz, dessen Dimensionen klar erkennbar werden, und begeistert der zweite, langsame Satz, mit seiner Kombination aus schwer zu artikulierenden Pizzicato-Feldern, vertrackter Rhythmik und schlichter Holzbläsertechnik, der aber ungemein schwelgerisch von Meister und dem Orchester musiziert wird. Der dritte Satz hebt sich in seiner forschen Wiedergabe deutlich von anderen ab und im vierten Satz, diesem gewaltigen Beweis von Bruckners kontrapunktischer, absoluter Meisterschaft gelingt es Meister, die komplexe Polyphonie inklusive der krönenden Doppelfuge überdeutlich herauszuarbeiten. Die Wiedergabe gipfelt in einer einem reißenden Strom gleichkommenden Coda.
Nach der souveränen Wiedergabe der siebten Symphonie Bruckners von Zubin Mehta im vergangenen März nimmt das Bruckner-Jahr im Wiener Konzerthaus nun richtig Fahrt auf. Der lautstarke Jubel mancher aus dem Publikum für Meister und die Wiener Symphoniker erfolgt völlig zu Recht.