Das wiedereröffnete MusikTheater an der Wien, Wiens innovativstes Opernhaus, ist auch unter der Intendanz von Stefan Herheim immer wieder für Überraschungen gut und gibt’s im Rahmen einer Neuproduktion wieder ein selten gespieltes Stück zu entdecken, nämlich OBRUTSCHENIJE W MONASTYRE (DIE VERLOBUNG IM KLOSTER), eine lyrisch-komische Oper in vier Akten op. 86 mit der Musik von Sergej Prokofieff. Das Libretto stammt vom Komponisten und Mira Mendelson, nach dem Libretto THE DUENNA von Richard Brinsley Sheridan.
Mauerschau, Rollentausch, Sieg der Liebe – die Vorbilder zu diesem auf einer englischen Komödie des 18. Jahrhunderts basierenden Werk sind Pergolesis LA SERVA PADRONA, Mozarts LE NOZZE DI FIGARO, Rossinis IL BARBIERE DI SIVIGLIA und Verdis FALSTAFF – herausragende Meisterwerke des Musiktheaters, an welche Prokofieffs Oper, die so gar nicht zu den Vorgaben staatlicher Kunst und Propaganda in der Zeit des Stalin-Terrors passt, aber nur in Ansätzen heranreichen kann. Witz und Charme, zeitlose menschliche Begierden und Schwächen sind zwar vorhanden, die reiche Fülle und hintergründige Tiefe der genannten Meisterwerke fehlen jedoch in dieser doch recht seicht wie vordergründigen Komödie um Fischhandel und Fleischeslust.
Regie und Musik gelingt es auch in der Aufführung am 5. April 2025 zu retten, was an diesem erst nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 im Leningrader Kirov-Theater, dem heutigen St. Petersburger Marinskii-Theater, uraufgeführten Spätwerk Prokofieffs zu retten ist.
Musikalisch geht’s hoch her im kleinen Opernhaus. Der russische Dirigent Dmitry Matvienko ist mit der Tonsprache seines Landsmannes Prokofieff naturgemäß bestens vertraut, peitscht das sehr gut disponierte ORF Radio-Symphonieorchester Wien durch die dreistündige Aufführungsdauer und belässt einer gewohnt heiklen Partitur des Komponisten ihre Schärfe, weshalb die HörerInnen über manche Längen hinwegkommen. Der ungestüme junge Mann verwechselt aber des Öfteren Lautstärke mit Dramatik, was am Ende doch ein wenig eintönig bleibt und manche musikalischen Langatmigkeiten, sprich Schwächen, des Stückes schwer bis gar nicht neutralisieren kann. Stimmlich herausragend an diesem Abend sind der mit flexibel lyrischem Charakter-Tenor ausgestattete, ungemein präsente Evgeny Akimov als Don Jerome und liefert mit wohlig sattem, saftig polterndem Bass Valery Gilmanov eine prachtvoll, erzkomödiantische Studie des Fischhändlers Mendoza. Souverän mit flutendem Sopran Stacey Alleaume als Luisa, rollendeckend solide Vladimir Dmitruk als ihr Geliebter Don Antonio, stark Elena Maximova als Duenna, sowie bemüht Petr Sokolov als Don Ferdinand und Anna Goryachova als seine Geliebte Clara. Prächtig wie gewohnt der differenzierte Chorgesang vom Arnold Schoenberg Chor, die Choreinstudierung hat Viktor Mitrevski besorgt, vor allem in der Szene zu Beginn des vierten Aktes, wo im Männerkloster bei Bier und Sex allzu bizarres Treiben herrscht.
Für die Inszenierung sorgt der am Theater an der Wien bereits mit Mozarts IDOMENEO, Rossinis OTELLO und Puccinis TRITTICO sehr erfolgreiche italienische Regisseur Damiano Michieletto, unterstützt von Paolo Fantin (Bühne), Klaus Bruns (Kostüm), Alessandro Carletti (Licht) und Kai Weßler (Dramaturgie). Herausstechend die betont humorvolle Personenregie wie präzise Personenführung Michielettos in einem grell bunten, funktionalen Bühnenbild und die schrillen, schrägen Kostüme. Riesige Fischplastiken dominieren die Bühne, Horrorvisionen werden Teil dieses in stimmig plastisches Licht getauchten, stark surrealen Settings.
Dem offensichtlich leicht zu unterhaltenden Publikum hat’s jedenfalls gefallen.