Mit dem Zyklus „Meisterwerke“ hat das Wiener Konzerthaus eine besonders repräsentative Orchesterreihe auf dem Programm. Mehr als die Hälfte der Konzerte spielen die Wiener Philharmoniker und haben diese am 16. Januar 2025 Altmeister Zubin Mehta ans Pult gebeten, um mit diesem Dirigenten, dem das Orchester seit mehr als sechzig Jahren vertrauensvoll verbunden ist, quasi als Nachklang zum Bruckner-Jahr 2024, die Symphonie Nr. 9 d-moll WAB 109 zu musizieren, jenes Werk, das der große Symphoniker Anton Bruckner „dem lieben Gott“ gewidmet hat. Und dieses Meisterwerk wird an diesem Abend einfach nur meisterhaft interpretiert.
„In seinen Symphonien sind die gewaltigen Ausbrüche der Themeneinsätze, die verklärenden Choralabschlüsse oder Posaunenfanfaren ebenso Sinnbilder des Überirdischen wie das substanzlose Tremolo und die Felder statischer Akkorde, in denen schweigende Dunkelheit herrscht. Die Dramatik in Bruckners Musik beruht auf diesen Gegensätzen, die nach seinem christlichen Glauben in Gott selbst bestehen: Er ist heilbringend und furchterregend zugleich.“, um Andrea Zschunke und Rainer Lepuschitz aus dem Programmheft zu diesem Konzert zu zitieren.
Diese charakteristische Eigenart der Symphonik Bruckners erfasst Zubin Mehta in ihrer ganzen Tiefe und gestaltet das großartige Werk mit der in allen Gruppen bestens aufgestellten Formation kompakt, souverän und erfüllt. Durch und durch organisch werden die großen Steigerungen aufgebaut, die erratischen Blöcke fließen förmlich ineinander und auch die Tatsache, dass Bruckner mit diesem Werk und seiner kühnen Harmonik bereits weit das Tor zur Musik des 20. Jahrhunderts aufgestoßen hat, wird nahezu überdeutlich herausgearbeitet. Im Grunde kann man nur dankbar sein, solche Wiedergaben einer Bruckner-Symphonie erleben zu dürfen. Da stimmt einfach alles, angefangen von den richtigen Tempi bis zur herrlich gestaffelten, überzeugenden Dynamik, und das Orchester folgt dem betagten Dirigenten hingebungsvoll, wenn er mit sparsamer, klarer Zeichengebung und perfektem Schlag ohne Partitur Bruckners letzte Symphonie in ihrer ganzen spätherbstlichen Schönheit, Abgeklärtheit und Transzendenz entstehen lässt.
Die Bruckner-Biographen August Göllerich und Max Auer deuteten Bruckners langsame Sätze als „eine Reihe höchster Verzückungen auf der Stufenleiter zu Gott. Wer Bruckner je beten gesehen, versteht seine Adagios“: Zubin Mehta hat gestern den dritten Satz wirklich als Bruckners „Abschied vom Leben“ in seiner ganzen Ausdruckskraft erfasst.
Vor der Pause gab sich Pinchas Zukerman noch ungemein musikantisch bei einer unprätentiösen, gefühlvollen Wiedergabe des Konzertes für Violine und Orchester Nr. 3 A-Dur KV 216 von Wolfgang Amadeus Mozart, die er mit fein singendem Geigenton veredelte.