Einzigartiger Mahler-Gesang – Christian Gerhaher im Wiener Konzerthaus

Daniel Harding und Christian Gerhaher im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Der deutsche Bariton Christian Gerhaher ist gewiss einer der besten Sänger unserer Zeit und kann überhaupt als der Liedsänger schlechthin gelten. Begleitet – überaus subtil, gefühlvoll, den mahler’schen Kangwelten nachspürend – vom Swedish Radio Symphony Orchestra unter seinem Chefdirigenten Daniel Harding widmet er sich am 5. März 2024 im Wiener Konzerthaus „Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert“ von Gustav Mahler und gerät dabei jedes Lied zu einem beeindruckenden Minidrama. Artikulation, Diktion, Gestaltung, Phrasierung, Ausdruck bei der Interpretation müssen als überragend bezeichnet werden. Mit seinem hellen, samtigen Bariton trifft er den Gehalt des jeweiligen Liedes genau, die Textbehandlung ist ergreifend, die Wortdeutlichkeit phänomenal. Faszinierend, facettenreich, ja bestürzend werden diese Lieder von Mahler präsentiert – nachhaltig in Erinnerung bleiben die gewaltige Phonation bei den Ausbrüchen in „Um Mitternacht“ und das abgeklärt melancholische „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ zum Schluss. Mahlers poetische Welt wird von Gerhaher und Harding mit traumwandlerischer Sicherheit gestaltet, keine romantische Schwülstigkeit, kein falsches, dick aufgetragenes Pathos regiert diese ganz aus dem Text entwickelte Interpretation. Der schlanke, durchsichtige Orchesterklang der Gäste aus Schweden passt wunderbar zur fein geführten Stimme Gerhahers. Genau so müssen diese Lieder klingen und tun es auch zur Freude des heftig akklamierenden Publikums. Derart entstehen magische, schwerelose Momente, die man selten erleben darf.

Zum Auftakt gab’s eine Erstaufführung im Wiener Konzerthaus, und zwar, aus der Heimat des Orchesters, „A legend of the Skerries“ op. 20 von Hugo Alfvén, eine symphonische Dichtung mit den Stockholmer Schärengärten im Fokus, worin sich „vor dem Hintergrund des dunklen und bedrohlichen Meeres ein schicksalhaftes Drama über die Eitelkeit der menschlichen Liebe abspielt“, so Kerstin Piribauer im Programmheft. Harding und sein Orchester setzen das Werk gekonnt um, das unproblematische Werk vermag zu gefallen.

Nach der Pause durfte man sich noch über eine gelungene Wiedergabe von „Also sprach Zarathustra. Tondichtung frei nach Friedrich Nietzsche“ op. 30 von Richard Strauss freuen, wo Harding mit dem Orchester deutliche Akzente zu setzen vermag. Die Krone des Abends gebührt aber unangefochten dem großartigen Orchesterliedgesang Christian Gerhahers mit seiner einzigartigen Gestaltung des mahler’schen Lied-Kosmos.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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