Kammermusik stark: Das Quatuor Èbène mit Haydn, Britten und Beethoven im Wiener Konzerthaus

Das Quatuor Èbène am 13. Dezember 2024 im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Zu Beginn des Konzertes vom Quatuor Èbène am 13. Dezember 2024 im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses steht das 1797 entstandene Streichquartett B-Dur Hob. III/78, „Sonnenaufgang“, das vierte der sechs „Erdödy-Quartette“ op. 76, das seinen Beinamen dem Violinthema des ersten Satzes, das über einem ausgehaltenen Akkord der Unterstimmen aus der Tiefe nach oben strebt, verdankt und ist bereits zum Auftakt ein ungemein harmonisches, hervorragend abgestimmtes Zusammenspiel, das Haydns rhetorisch entwickelten Stil vollends zur Geltung bringt, zu bewundern.

Vor der Pause gibt es dann noch „Three Divertimenti“, entstanden in den 1930er-Jahren, von Benjamin Britten zu hören, die der Formation durch forsches, nachdrückliches Quartettspiel einnehmend gelingen.

Du darfst nicht Mensch sein; für dich nicht, nur für andre; für dich gibt’s kein Glück mehr als in dir selbst, in deiner Kunst.“: Mit dieser pessimistischen, verzweifelt sich selbstgenügenden Lebensäußerung von 1812 kündigte Ludwig van Beethoven seinen Rückzug in seelische Innenräume an, wofür gewiss auch seine Ertaubung verantwortlich war. In seinen letzten fünfzehn Schaffensjahren dehnte Beethoven die Musiksprache seiner Zeit bis ans Äußerste, vor allem seine späten Streichquartette, die sich endgültig vom Genre der Hausmusik verabschiedet hatten und zu höchsten, intellektuellen, formalen, wie artifiziellen Sphären höchster Kunst aufgestiegen waren, stellen in Klang abstrahierte, psychische Prozesse eines bereits „modernen“ Menschen dar und zählen zu den großen Mythen der Musikgeschichte überhaupt.

Nach der Pause beeindruckt das Quatuor Èbène – Pierre Colombet, erste Violine, Gabriel Le Magadure, zweite Violine, Marie Chilemme, Viola und seit Frühjahr als festes Ensemblemitglied Yuya Okamoto, Violoncello – dann mit einer enorm starken, dichten wie tiefschürfend nachwirkenden Interpretation des Streichquartetts B-Dur op. 130, von Ludwig van Beethoven. Verstörend auf die Zuhörer wirkt dieses großartige späte Werk aus der Feder Beethovens trotz der ihm gewiss eigenen Sperrigkeit heute wohl nicht mehr, eine Herausforderung sondergleichen für InterpretInnen wie ZuhörerInnen stellt es aber immer noch dar. In der ursprünglichen Fassung, also mit der Großen Fuge op. 133 als Finale, hinterlassen der großräumige erste Satz, der weite, bereits in andere Dimensionen weisende fünfte Satz – Cavatina. Adagio molto espressivo – von Beethoven so gemeint, von der perfekt gemeinsam musizierenden, stets aufeinander hörenden Formation auch so gespielt – und die in all‘ ihren Verästelungen daherkommende, mächtig ehern strukturierte Fuge den stärksten Eindruck.

Nach diesem Werk ist naturgemäß kein Platz für eine Zugabe: Kurzer, lautstarker Applaus nach einem für Publikum wie Ausführende gleichsam fordernden Konzert.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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