Kolossales zum Geburtstag – Petr Popelka mit Schönbergs GURRE-LIEDER im Musikverein

Petr Popelka und Ausführende nach Schönberg im Musikverein am 14. September 2024 © Thomas Rauchenwald

Zum 150. Geburtstag des großen Neutöners Arnold Schönberg am 13. September 2024 setzt die Gesellschaft der Musikfreunde in zwei Konzerten auf ein Werk, das dem Komponisten den wohl größten Triumph seiner Komponistenlaufbahn beschert hatte – die GURRE-LIEDER nach einem Gedichtzyklus des dänischen Dichters Jens Peter Jacobson in der Übersetzung von Franz Arnold, ein oratorienähnliches Kolossalwerk aus Schönbergs Frühzeit, das in seiner Instrumentierung die Spätromantik bereits überwindet und in seiner ganzen musikalischen Expressivität bereits den späteren atonalen Meister und Zwölftöner erahnen lässt. Das spannende Werk ist für einen riesigen Klangapparat gesetzt: fünf SolistInnen und SprecherIn, drei vierstimmige Männerchöre, ein achtstimmiger gemischter Chor und ein riesig besetztes Orchester.

Neben den SolistInnen und den Chören haben am stark erweiterten Podium im Großen Saal des Wiener Musikvereins die Wiener Symphoniker, deren Vorgängerorchester unter Franz Schreker 1913 ebendort die Uraufführung dieses monumentalen Werkes musizierten, Platz genommen: Am Dirigentenpult steht der aus Prag gebürtige Petr Popelka, der ab der aktuellen Saison 2024/2025 als neuer Chefdirigent des Orchesters wirkt. Die Zusammenarbeit mit dem hervorragend aufgestellten, am Abend des 14. September 2024 groß aufspielenden Orchesters scheint ungemein harmonisch, Popelka setzt starke Akzente, zaubert betörende Klangfarben aus dem Orchester und hat den Riesenapparat an Ausführenden perfekt im Griff. Die melodische Gestalt und der mitunter rasende Entwicklungsprozess des Werkes werden stromartig, wie aus einem Guss, gestaltet, weshalb die Pause nach dem ersten Teil den melodischen Fluss im Grunde stört, weil die Wiedergabe Popelkas in ihrer unmittelbaren, beeindruckenden Wirkung unterbrechend.

Während der zweite Teil nur ein einziges Lied Waldemars aufweist, bestehen der erste Teil (ohne Chor) und der dritte Teil (mit Chor) aus einer Reihe groß angelegter Einzelgesänge. Michael Weinius, der in beiden Konzerten kurzfristig die Heldentenorpartie des Waldemar anstelle von David Butt Philip übernommen hat, lässt sich wegen einer Erkältung indisponiert ansagen, weshalb seine Leistung keiner Bewertung unterzogen werden soll. Vera-Lotte Boecker gefällt mit leuchtendem, lyrischem Sopran, wird bedauerlicherweise aber immer wieder von den Orchesterwogen hinweggeschwemmt. Den stärksten solistischen Eindruck hinterlassen im ersten Teil die mit vollem, sattem Mezzosopran ausgestattete Sasha Cooke als Waldtaube und im dritten Teil Angela Denoke als fulminant gestaltende Sprecherin, wo auch Gerhard Siegel als Klaus Narr und Florian Boesch als Bauer stimmlich ungemein überzeugen. Die drei Chöre sind perfekt aufeinander abgestimmt und agieren ebenso formidabel mit vor Kraft strotzendem, prachtvoll strahlendem Chorgesang im Einklang mit dem hervorragenden Orchester: Johannes Prinz hat den Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde glänzend für seine Aufgabe präpariert, ebenso Jan Rozehnal den Slowakischen Philharmonischen Chor wie Richard Riederauer und Zoltàn Pad den Ungarischen Nationalen Männerchor.

So lässt sich Schönbergs Geburtstag feiern. Am Schluss gibt es Publikumsjubel für alle Beteiligten.

Themenschwerpunkte
Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert