Lieben Sie Brahms? Das Budapest Festival Orchestra, Ivàn Fischer und Nikolaj Szeps-Znaider im Wiener Konzerthaus

Das Budapest Festival Orchester, Nikolaj Szeps-Znaider und Ivàn Fischer im dritten Konzert ihres Brahms-Zyklus im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Im dritten Konzert ihrer vierteiligen Gesamtaufführung der vier Symphonien und der vier Instrumentalkonzerte von Johannes Brahms im Wiener Konzerthaus präsentieren das Budapest Festival Orchestra unter seinem Gründer und Chefdirigenten Iván Fischer am 15. Oktober 2024 die dritte Symphonie und das Violinkonzert.

Star des Abends und Solist im Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77, einem Meilenstein seiner Gattung, entstanden 1877 bis 1878, gewidmet Joseph Joachim, der es auch 1879 in Leipzig unter der Leitung des Komponisten zur Uraufführung brachte, ist kein Geringerer als der dänische Geigenvirtuose und Dirigent mit polnisch-jüdischen Wurzeln, Nikolaj Szeps-Znaider, für dessen Entwicklung ein Studium bei Boris Kuschnir in Wien maßgeblich war. Znaider verfügt über ein einfach nur als bestechend zu bezeichnendes Geigenspiel. Auf seiner Guarneri „del Gesu“ – Violine aus 1741, der früher von Fritz Kreisler gespielten „Ex-Kreisler-Guarnerius“, einem herrlichen Instrument, das sich durch einen feinen, eleganten, aber enorm tragfähigen Klang auszeichnet, nimmt er sich Zeit für das großartige Werk, ohne die Tempi zu verschleppen, ohne das Stück zu verhetzen, sodass es durch und durch organisch in den Großen Saal des Wiener Konzerthauses strömt und das Publikum, ohne die mittlerweile scheinbar unumgängliche Unruhe, gebannt zuhört. Selten hört man das kontrastreiche, mit einer hinreißenden Melodik, weit geschwungenen, lyrischen Partien sowie mit zündenden Rhythmen und rustikalen Humor ausgestattete Werk so überzeugend wie in der erfüllten Interpretation von Znaider. Fischer am Pult eines hervorragend abgestimmten Orchesters mit vorbildlicher Orchesterkultur gestaltet stark akzentuiert mit, hervorzuheben sind die exzellenten Holzbläser. Znaider bleibt in der Sache höchst romantisch, süffig, wirkt jedoch nie aufdringlich mit seinem wunderbaren, großen, starken Geigenton, der immer schmelz- wie schimmerreich über dem Orchester schwebt. Seine enorme Virtuosität in der großen Kadenz von Fritz Kreisler ist tief empfunden, alles andere als vordergründig. Znaiders große Gestaltungs- wie Ausdrucksintensität erfasst das Werk in all‘ seinen Nuancen – vom groß angelegten, lyrisch-symphonischen Gebilde des ersten über die Melodieseligkeit des zweiten bis zum prachtvollen Rondo des dritten Satzes. Für ein zu Recht begeistertes Publikum gibt es als rührende Zugabe, gemeinsam von Solist und Orchester gespielt, „Estrellita. Romanza messicana“ von Manuel Ponce.

Nach der Pause tritt das Orchester unter seinem Chef zur Wiedergabe der 1883 entstanden Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90 an, wo die Formation in der Wiedergabe der instrumentalen Schönheiten des Werkes brilliert. Ivàn Fischers Dirigat vermittelt ein hohes Maß von der „stolzen Kraft des dahinschreitenden Meisters“ (Alfred Orel) – Brahms stand zur Zeit der Komposition bereits im Zenit seines Schaffens – und lässt unschwer nachvollziehen, dass diese Symphonie in ihrer kraftvoll leidenschaftlichen Geschlossenheit die beliebteste der vier Symphonien von Brahms darstellt und in „Aimez-vous-Brahms“ sogar zu filmmusikalischer Popularität gelangt ist.

Als Zugabe formiert sich das Orchester, um Brahms‘ Abendständchen op. 42/1 „Hör, es klagt die Flöte wieder“ im Chor zu singen (!). Eingeleitet wurden der erste Teil des Konzertes von Brahms‘ Ungarischen Tanz Nr. 17 fis-moll in der Bearbeitung für Orchester von Antonìn Dvoràk, der zweite von Brahms‘ Ungarischen Tanz Nr. 3 F-Dur in der Fassung für Orchester.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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