Liedgesang expressiv gestaltet – Florian Boesch mit Malcolm Martineau im Konzerthaus

Boesch Martineau
Florian Boesch und Malcolm Martineau im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Im Zyklus-Lied gastiert im Wiener Konzerthaus am 16. Februar 2024 der österreichische Bassbariton Florian Boesch, einer der führenden Liedinterpreten unserer Zeit, seit 2019 auch Professor für Lied und Oratorium an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Als Mitgestalter dieses Liederabends fungiert ein Begleiter der Sonderklasse, der schottische Pianist Malcolm Martineau.

Boesch, der in Wien hörbar über eine treue wie starke Fangemeinde verfügt, und Martineau machen es dem Publikum nicht ganz leicht. Höchst anspruchsvolle Liedkost wird serviert, laut Programmheft wird – unter dem Motto „Lebenswanderungen“ – „Sehnsuchtsvolles“ von Johannes Brahms, „Versonnenes“ von Othmar Schoeck und „Hingebungsvolles“ von Robert Schumann aufgetischt.

Eine reiche Gefühlspalette durchzieht bereits die elf Lieder von Brahms, die an den Beginn gesetzt werden; die Stimme von Boesch benötigt hier noch etwas Zeit, sich einzuschwingen und vollends entfalten zu können. An der Schwelle zwischen Romantik, von der der Komponist nie ganz lassen wollte, und Moderne stehen dann sieben Lieder des Schweizers Schoeck: Bereits hier ist Boesch ganz in seinem Element, überzeugt vor allem mit seinem in der Mittellage besonders sinnlichem, männlich virilem Timbre. Anders als bei Brahms die Entsagungen des Lebens dominieren bei Schoeck die erlebten Leidenschaften – der Sänger vermag beides ungemein dramatisch überzeugend umzusetzen wie zu vermitteln.

Mit Schumanns „Liederkreis nach Gedichten von Joseph von Eichendorff“ op. 39 setzen die beiden Künstler nach der Pause dann den erwarteten Höhepunkt. Zu höchst expressivem Ausdrucksgesang gesellt sich jetzt bei Boesch auch eine exzellent geführte Gesangslinie – betörend bringt er die „Mondnacht“ zum Schimmern, zum Leuchten – neben feinen Ausdrucksnuancen. Das Klavierspiel Martineaus, im ersten Teil des Abends vor allem durch Dramatik gekennzeichnet, gewinnt jetzt auch ein Höchstmaß an Subtilität. Fast schon furchterregend werden Schumanns Abgründe, die den Komponisten in geistiger Umnachtung sterben ließen, dargeboten, sodass Liedgestaltung vom Allerfeinsten zu erleben ist.

Der Jubel des Publikums ist stark, Boesch und Martineau bedanken sich noch mit zwei Zugaben aus dem Liedschaffen von Robert Schumann nach Texten von Johann Wolfgang von Goethe: „An die Türen will ich schleichen“ op. 98a/8 und „Nachtlied“ op. 96/1.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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