Organisches Fließen: Zubin Mehta dirigiert die Wiener Philharmoniker mit der IX. Symphonie von Anton Bruckner

Altmeister Zubin Mehta und die Wiener Philharmoniker nach einer vollendeten Wiedergabe von Bruckners IX. Symphonie © Thomas Rauchenwald

Die Wiener Philharmoniker beginnen das neue Jahr mit einem famosen Abonnementkonzert. Altmeister Zubin Mehta, Dirigent des Orchesters seit 1961, wirft die ganze Erfahrung seines langen Dirigentenlebens in die Waagschale bei einer durch und durch erfüllten, souveränen Gestaltung von Anton Bruckners Symphonie Nr. 9 d-moll WAB 109.

In der Matinee am 12. Januar 2025 stimmt einfach alles, wenn das in sämtlichen Instrumentengruppen blendend disponierte Orchester und der Dirigent das großartige Werk in seiner ganzen spätherbstlichen, wehmütigen Schönheit vollendet, einem organischen Fließen gleichkommend, entstehen lassen, ausbreiten, erklingen lassen. Diese Interpretation – wie oft hat Zubin Mehta dieses Werk in seinem Leben wohl schon aufgeführt? – kann man nur als fesselnd, gelungen, gültig wie zwingend bezeichnen: die Architektur der Symphonie wird in ihrer ganzen Größe erfasst, die erratischen Blöcke gehen wie selbstverständlich ineinander über. Mehta setzt mit klaren, sparsamen Dirigierbewegungen ohne Partitur enorme interpretatorische Akzente, das Werk wird derart in seiner musikalischen Struktur, in seiner ganzen Komplexität – den harmonischen Beziehungsreichtum jederzeit betonend – nachvollziehbar, eindrucksvoll erlebbar. Wenn Bruckner in den Satzbezeichnungen „feierlich“ bzw. „misterioso“ vorschreibt, erfasst Mehta diese Vorgaben in unnachahmlicher Intensität, setzt aber auch auf das aufschreiend Schrille, das Bruckners Partitur ebenso in sich birgt wie das Herausarbeiten der ganzen harmonischen, bereits ins 20. Jahrhundert weisenden Kühnheiten. Den ersten Satz richtet er ganz auf die groß dimensionierte, einer Finalcoda gleichkommenden Coda aus, die stampfenden Rhythmen des Scherzos hämmert er nahezu unerbittlich in den Saal und nach dem Ausklingen des dritten Satzes, den Mehta als Klangkathedrale aufbaut, Bruckners „Abschied vom Leben“, herrscht sekundenlange, betretene Stille, bevor der Applaus losbricht: Diese bewegende Interpretation hat auch beim Publikum nicht seine Wirkung verfehlt.

Im ersten Teil des Konzertes gab’s noch eine schwungvoll unprätentiöse, gefühlvolle Wiedergabe des Konzertes für Violine und Orchester Nr. 3 A-Dur KV 216 von Wolfgang Amadeus Mozart zu bewundern, die Pinchas Zukerman mit ungemein fein gezogenem, melodisch singenden Geigenton veredelte.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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