„Musik muss grooven und auch in Sibelius‘ Musik ist der Rhythmus wichtiger, als man denkt und als es der reine Notentext erahnen lässt.“ – sagt der junge, 1985 geborene Finne und Senkrechtstarter als Dirigent Santtu-Matias Rouvali, den die Gesellschaft der Musikfreunde Wien in dieser Saison in den Fokus nimmt und der jetzt im Musikverein debütiert hat.
Musik seines Landsmannes Jean Sibelius setzt er auch auf das Programm seines Konzertes mit den Wiener Symphonikern am 29. Oktober 2023 im Großen Saal – die Symphonie Nr. 3, C-Dur, op. 52, ein deklariertes Lieblingswerk des Dirigenten, die stilistisch zwischen der überschwänglich romantischen Intensität der ersten beiden Symphonien und der erdig herben Intensität der späteren Werke aus der Feder dieses großen nordischen Symphonikers anzusiedeln ist. Dass das interessante, abwechslungsreiche, dreisätzige Werk nicht oft auf heimischen Notenpulten gelegen ist, hört man dem an sich in allen Instrumentengruppen sehr gut aufgestellte Orchester an, ist ihm diese eigene Tonsprache doch fremd. Dennoch kommt das Werk unter der Leitung des jungen Dirigenten mit geschmeidiger klassischer Klarheit daher, setzt er sie doch mit eindeutigem Schlag und klarer Zeichengebung um. Auffällig an der gelungenen Interpretation ist eine feine Auslotung der Klangräume, betonte Durchsichtigkeit des Orchestersatzes, hoher Kontrastreichtum und eben die eingangs erwähnte, wesentlich betonte Rhythmik des Orchesterspiels wie das oft schon überdeutliche Herausarbeiten von Sibelius Exzentrizität mit nahezu tanzend anmutenden Bewegungen am Pult. Es besteht kein Zweifel, dass dieser junge Mann seinen eingeschlagenen Weg zielstrebig fortsetzen und eine entsprechende Karriere als Dirigent machen wird.
Vor der Pause gab es als Auftakt Peter Iljitsch Tschaikowskijs mit großer Geste und Aplomb musiziertes, beliebtes „Capriccio italien, A-Dur, op. 45, wo sich der junge Maestro bereits entsprechend in Szene zu setzen wusste – gefolgt von einer wahrlich eindrucksvollen Wiedergabe des Konzertes für Violine und Orchester Nr. 1, a-moll, op. 77, von Dmitrij Schostakowitsch. Als Solist wurde dafür einer der führenden Violinisten des internationalen Musiklebens eingeladen, der aus Athen stammende Leonidas Kavakos. Das gehaltvolle, für den großen russischen Geiger David Oistrach komponierte Werk, das neben höchster Virtuosität auch breiten Raum für tiefste Gefühle, Gedanken und Stimmungen offenbart, wird von Kavakos, der auf der „Willemotte“-Stradivari aus 1734 spielt, mit höchster Differenzierung, Souveränität, Kraft und sattem, vollem Geigenton vorgetragen. „Die außergewöhnliche Musikalität …, Schönheit seines Tons, die großartige Technik“, Attribute, die der Komponist bereits an Oistrach bewunderte, gelten uneingeschränkt auch für Leonidas Kavakos, der sich beim applausfreudigen Publikum mit einer Zugabe von Johann Sebastian Bach bedankte.