Staraufgebot für TOSCA an der Wiener Staatsoper

Piotr Beczala und Sonya Yoncheva in TOSCA in Wien © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

In der Wiener Staatsoper gibt man wieder Giacomo Puccinis Opernkrimi „Tosca“ – in der nunmehr seit April 1958 bewährten, mittlerweile über Kultstatus verfügenden Inszenierung von Margarethe Wallmann und der Ausstattung von Nicola Benois – und findet sich am Besetzungszettel der Aufführung am 12. Februar 2025, der 656. (!) in der genannten Produktion, in den drei Hauptrollen ein wahres Staraufgebot, das den hohen Erwartungen voll und ganz gerecht wird.

Mit der aus Bulgarien stammenden Sonya Yoncheva ist in der Titelrolle ein echter lirico-spinto-Sopran aufgeboten, die nicht nur im berühmten Gebet des zweiten Aktes – „Vissi d’arte“ – vernehmen lässt, welch‘ wunderbare Sängerin sie ist und derart mit fein lyrischem wie gleichsam strahlend leuchtendem Sopran ein ungemein geformtes, starkes Rollenporträt gestaltet, mit flehenden Zwischentönen, gefühlvollen Phrasen und dramatischen Ausbrüchen, wobei auch die ganz große darstellerische Geste der eifersüchtigen Diva nicht zu kurz kommt. Als Cavaradossi steht wieder der polnische Tenor Piotr Beczala, dem am 22. Januar 2025 gemeinsam mit seiner Frau Katarzyna Bak-Beczala die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, auf der Bühne, der wie gewohnt, nie zu Manierismen neigend, mit seiner überaus geschmackvollen Phrasierung, bei aller ausgewiesenen Schönheit seines schmelzreichen Timbres, einen im Grunde herb männlichen Cavaradossi singt. Bereits „Recondita armonia“ gelingt hervorragend, im ersten Duett mit Tosca umschmeichelt er seine Floria mit den schwarzen Augen mit einfach betörendem Gesang. Sehr gut fokussiert die kernigen „Vittoria!“-Rufe, in „E lucevan le stelle“ spannt er lang gezogene Legato-Bögen ganz auf dem Atem, die er im anschließenden Duett mit Tosca an Ausdrucksvehemenz noch zu steigern im Stande ist. Dass er den letztgenannten Opernschlager wiederholt, ist mittlerweile zum Ritual geworden, und legt er den zweiten Durchgang noch strahlkräfter, vehementer an. Was Gestaltung und Interpretation betrifft, ist der Italiener Ambrogio Maestri ein hinterhältiger, gefährlich bedrohlicher Satyr wahrhaft bösartig abartigen Ausmaßes, weshalb durch und durch rollenimmanent. Da ist ein Bariton mit einerseits stimmlich feiner Klinge, andererseits mit brutal üppigem Stimmvolumen zu erleben: Wenn er sich parallel zum frommen Te deum des Kirchenvolkes ganz seinen pervers sexuellen Obsessionen hingibt, laufen dem Hörer Schauer über den Rücken; stimmlich agiert er sowohl als aristokratisch nobler Galan mit hinterhältigem Zynismus als auch als triebgesteuerter Lüstling mit gewaltiger Phonation.

Die Nebenrollen sind allesamt aus dem Hausensemble adäquat besetzt. Am Pult des gut disponierten Orchesters der Wiener Staatsoper ist Pier Giorgio Morandi der Bühne ein verlässlicher Begleiter, verwechselt jedoch, bei allem Bemühen um Transparenz und Herausarbeiten starker Stimmungen aus der Partitur, doch des Öfteren heftig lärmende Lautstärke mit leidenschaftlich dramatischer Verismo-Italianitá. Am Schluss gilt der Publikumsjubel vor allem den beiden Protagonisten Yoncheva und Beczala.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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