Verdis Totenmesse dieses Mal sehr geistlich – Daniel Harding mit der „Messa da requiem“ auf Tournee im Wiener Konzerthaus

Daniel Harding, Chor, Orchester und SolistInnen nach Verdis "Messa da requiem" im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Giuseppe Verdis ergreifende „Messa da requiem“ zu Ehren des 1873 verstorbenen Alessandro Manzonis ist laut Joachim Reiber im Wesentlichen eines der stärksten und tiefsten Werke auf der Suche nach den letzten Dingen: Ausdruck des freien Menschen, der angesichts des Todes den letzten Akt der Befreiung sucht. Todesangst, Sterbensangst und Hoffnung zugleich offenbaren sich bei Verdi im abschließenden Responsorium „Libera me“, dem Teil, den Verdi bereits anlässlich des Todes Gioacchino Rossinis 1868 für die von mehreren Komponisten verfasste „Messa per Rossini“ beisteuerte.

Das Orchestra dell‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Roma unter seinem neuen Chef Daniel Harding haben dieses großartige Werk des Freigeistes Giuseppe Verdi nun im Gepäck auf ihrer Tournee, womit sie auch am 7. Dezember 2024 im Großen Saal des Wiener Konzerthauses gastieren. In der Aufführung gelingt denn auch eine ungemein stimmige Wiedergabe dieser Totenmesse, die immer wieder als verkappte Oper missverstanden wird, wohl ob ihrer immensen stimmlichen Anforderungen an die vier Gesangssolisten. Daniel Harding interpretiert das Werk eher als geistliche Musik, führt die InterpretInnen souverän, spannungsgeladen breit durch das immens reiche, tiefschürfende Werk und bündelt die Massen gekonnt zu einer kompakten Einheit; Italianità, Brio und Furor, diesem großen Chorwerk ebenso innewohnend, bleiben dabei auf der Strecke. Das Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia zeichnet sich durch einen besonders kräftigen Blech-, feinen Holzbläser- wie seidigen Streicherklang aus, das betont harte Dröhnen der großen Trommel im „Dies irae“ öffnet nahezu den Höllenschlund. Interessant, dass statt der üblichen Tuba neben den drei Posaunen ein Cimbasso, deren Klang an eine Mischung aus Tuba und Passposaune erinnert, verwendet wird.

Schade, dass das Orchester auf seiner Tournee nicht vom eigenen, herrlichen Coro dell‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia begleitet wird, erfüllt die von Heinz Ferlesch einstudierte Wiener Singakademie die immensen Anforderungen teilweise nur bedingt, vor allem, was die lateinische Artikulation betrifft. Auch sollte an der Homogenität der Laienformation mit höchstem professionellen Anspruch, ebenso an der Intonation der Soprane, noch deutlich gefeilt werden.

Was das Quartett der SolistInnen betrifft, bedarf es in diesem Werk wohl die Besten ihrer Zunft, diese Anforderung von den Besetzungsbüros aus Gründen der jeweiligen Verfügbarkeit naturgemäß nicht zu erfüllen ist. Herausragend ist der ungemein klangstarke, ebenmäßig geführte, profunde Bass von Tareg Nazmi; Tenor Saimir Pirgu gelingt, neben forciert geführten Passagen, ein schön auf dem Atem gesungenes, schwebendes „Ingemisco“, ebenso ein schön geschmeidiges „Hostias“. Voll die Erwartungen erfüllt die Mezzosopranistin Elizabeth DeShong, deren starker, gestaltungsreicher Vortrag bisweilen nur durch ein wenig zu starkes Vibrato beeinträchtigt wird. Toll die Leistung der südafrikanischen Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha, in deren Person sich eine große Verdi-Sopranistin zu entwickeln scheint. Neben flutenden Piani und schwebenden Höhen, wie es Verdi von seiner Sängerin fordert, erzielt die junge Sängerin gemeinsam mit dem Dirigenten am Schluss im abschließenden „Libera me“ eine sehr bewegende, nahezu beklemmende Wirkung.

Nach einer kurzen Pause der Stille spendet das Publikum zu Recht lautstarken Beifall für diese gelungene Wiedergabe der wohl musikalisch reichsten Totenmesse überhaupt.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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