Wiedereröffnung im Theater an der Wien mit einem konzertanten IDOMENEO

Levente Pàll, Elena Tsallagova, Slàvka Zàmecnikovà, David Bates, Attilio Glaser, Emily Sierra und Ya-Chung Huang nach "Idomeneo" konzertant im wiedereröffneten Theater an der Wien © Thomas Rauchenwald

Es hätte eine höchst spannende, szenische Premiere im Theater an der Wien zu dessen Wiedereröffnung werden sollen, die Sichtweise des Hausherren, Intendanten und Regisseurs Stefan Herheim auf Wolfgang Amadeus Mozarts Dramma per musica in drei Akten, „Idomeneo“, mit dem Libretto von Giambattista Varesco, in dessen Gestaltung sich der Komponist stark einbrachte. Nach zweieinhalbjähriger Generalsanierung und einem Festakt mit Lobreden am Vormittag konnte die Premiereneröffnung am Abend des 12. Oktober 2024 jedoch nur konzertant über die Bühne gehen: Nach einer Reihe von Verzögerungen bei den Bauarbeiten im Zuge der umfassenden Renovierung ließ sich die Bühnentechnik nicht zeitgerecht übergeben, weshalb die erste szenische Produktion im sanierten Haus nunmehr erst Mitte des kommenden Jahres stattfinden soll. Der Intendant freut sich dennoch: „Die Generalsanierung hat die Aura im des im Geiste Mozarts errichteten Theaters weder übertüncht, noch verfälscht, sondern freigelegt!“, verkündet er stolz. Und in der Tat – Auffällig nach der umfassenden, nachhaltigen Sanierung ist eine gegenüber der ehemaligen Beengtheit großzügige Freizügigkeit, eine neue Treppe, ein Balkon im ersten Rang und ein akustisch vorteilhafter Holzboden im Zuschauerraum. Nachdenken (bzw. Nachjustieren) müssen wird man allerdings noch über den zum Opfer gefallenen ehemaligen Windfang, der Wind und Wetter vom Haus an der Linken Wienzeile ferngehalten hat, die eliminierten Toiletten im Parterre sowie über das nunmehr fehlende Buffet ebendort.

Was nun die musikalische Qualität des konzertant gegebenen „Idomeneo“ betrifft, soll an diesem Abend in erster Linie die Freude über die Tatsache, dass nunmehr wieder Oper im Theater an der Wien erklingen kann, überwiegen, gerät das Ergebnis doch durchwachsen. Aufgeführt wird Mozarts Meisterwerk, das näher der französischen Tragèdie lyrique verwandt ist als der italienischen Opera seria, in einer Mischfassung aus der Münchener Urfassung und der späteren Wiener Fassung. Mozarts Musik in diesem Werk „hat zugleich etwas Raues in sich, sowohl in der Form als auch in der Orchestrierung“, wie der Dirigent des Abends, David Bates, bemerkt – eine Tatsache, die Nikolaus Harnoncourt, der sich sehr für das Werk eingesetzt und darum bemüht hatte, einst auch so überzeugend demonstriert hatte. In Bates Dirigat am Pult der bemühten Wiener Symphoniker ist von diesem wesentlichen Aspekt bedauerlicherweise wenig zu hören, zu verwaschen kommt das Stück daher, zu uninspiriert, wenig dramatisch.

Gewohnt ausgezeichnetes Niveau ist vom – von Viktor Mitrevski hervorragend präparierten – Arnold Schoenberg Chor zu vernehmen. Was die SängerInnen betrifft, genügen nur drei hohen Ansprüchen: Levente Pàll als vom ersten Rang beeindruckend orgelnde Stimme des Orakels, die mit schön geführtem und ausdrucksstarkem Mezzosopran als Idamante im Laufe des Abends zu einer guten Leistung avancierende Emily Sierra, vor allem aber die für die erkrankte Jeanine De Bique kurzfristig eingesprungene Slàvka Zàmecnikovà, die mit blühendem Sopran wie erfülltem Gesang eine ergreifend berührende Ilia zu gestalten weiß. Elena Tsallagova mit schrillem, grellem Sopran lädt zwar ihre Arie im dritten Akt mit Furor auf, hechelt sich aber bisweilen durch die Partie der Elettra, der Tenor Ya-Chung Huang schwächelt sowohl als Arbace wie als Oberpriester. Die Titelfigur – Idomeneos große Arie „Fuor del mar“ erklingt in der Wiener Fassung, die gegenüber der Münchener Fassung keine Koloraturnummer mehr, sondern eine dramatische Arie darstellt – ist mit Attilio Glaser besetzt, der leider in einer von Mozarts komplexesten Tenorpartien über weite Strecken blass, eindimensional und folglich belanglos bleibt.

Das Publikum freut sich aber völlig zu Recht, dass die Oper wieder im Haupthaus des Theaters an der Wien an der Linken Wienzeile regiert. Und Stefan Herheim darf man an dieser Stelle gutes Gelingen für seine restliche Intendanz, die von den Kulturverantwortlichen in dieser Stadt hoffentlich verlängert werden wird, wünschen.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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